Mitmachen
Artikel

Baudirektion: eklatantes Defizit an Rechtsstaatlichkeit

In über zwanzig Zürcher Gemeinden wurden Initiativen für die Festlegung von Abständen von Windenergieanlagen eingereicht. Sie wurden fast alle für gültig erklärt. Doch viele Gemeinden sind durch eine selten arrogante Intervention der Baudirektion verunsichert. Wichtige demokratische Rechte stehen auf dem Spiel.

Kosten und Nutzen von Windkraft sind in der Schweiz umstritten. (Bild: Pixabay.com)

An sich wäre es Aufgabe der kantonalen Baudirektion, den Gemeinden beizustehen. Doch mit Bezug auf Windenergieanlagen erfolgt das Gegenteil. Im vergangenen Juli, als sich im Kanton ein erheblicher Widerstand gegen die Windenergiepläne von Regierungsrat Neukom zu zeigen begann, erhielten die Gemeinden ein langes Mail über den Mindestabstand von Windenergieanlagen in Gemeindebauordnungen. Absender des Mails war «Wilhelm Natrup, Amtschef». Mit keinem Wort erwähnt wurde Regierungsrat Neukom, der grüne Baudirektor des Kantons Zürich. Es ist aber anzunehmen, dass er um die Sache wusste, ja sie inspirierte. Das Mail verneint in arrogantem Ton die Genehmigungsfähigkeit von Abstandsbestimmungen von Windanlagen in Bauordnungen der Gemeinden. Die Gemeinden hätten keine Kompetenz dazu. Deshalb würden entsprechende Abstandsbestimmungen vom Amt für Raumentwicklung (ARE) nicht genehmigt.

Verunsicherung der Gemeinden durch amtliches Mail

Durch dieses Mail wurden die zuständigen Gemeindeorgane in hohem Mass verunsichert. In vielen Gemeinden wurden inzwischen Initiativen eingereicht. An fast allen Orten wurden diese gültig erklärt. Das erwähnte Mail drohte ihnen jedoch an, entsprechende Abstandsvorschriften würden nicht genehmigt. Die Vorgehensweise des ARE, offenbar abgesegnet durch Herrn Regierungsrat Neukom, entbehrt jeglicher Rechtsstaatlichkeit; es ist in mehrfacher Hinsicht rechtsstaatsfeindlich. Derartige Androhungen von blossen Verwaltungsstellen entbehren jeglicher Achtung schweizerischer Werte, fest verankert in den Verfassungen von Bund und Kanton Zürich. Zum Voraus sich über Dinge wie Nichtgenehmigung zu äussern, deren Entscheid letztlich bei den Gerichten liegt, ist hierzulande nicht nur verpönt, sondern eine verfassungswidrige Vorbefassung. Androhungen dieser Art widersprechen unseren rechtsstaatlich-demokratischen Grundprinzipien. Eine Missachtung der Gewaltentrennung durch blosse Verwaltungsstellen ist strikte zurückzuweisen, ebenso die Geringschätzung der verfassungsmässig garantierten Gemeindeautonomie. Denn es gilt, den Entscheid der zuständigen Gerichte im einzelnen Fall abzuwarten. Die betroffenen Gemeinden können einstweilen am besten selbst die erforderliche Interessenabwägung vornehmen. Sie sind den Verhältnissen am nächsten. Sie können am besten abwägen, ob die Stromgewinnung die Eingriffe in Landschaft, Natur, Wald, Tierwelt, Eigentum (neuste Studien belegen den Wertverlust von Liegenschaften in der Nähe von Windenergieanlagen) usw. überwiegen und rechtfertigen; allein aus lokaler Sicht kann die Länge der Abstandsbestimmungen von Windenergieanlagen beurteilt werden.

Gravierende Unkenntnis der Gesetze

Die vorzeitige Stellungnahme von Wilhelm Natrup lässt darüber hinaus auf augenscheinliche und möglichweise vorgeschobene Unkenntnis der anwendbaren Gesetzesbestimmungen, des Rechtsweges und der bundesgerichtlichen Praxis schliessen. Man fragt sich, ob man fern vom Bundesgericht nach Treu und Glauben einfach darauf los argumentieren darf; im Fall Tramelan hat das oberste Gericht nämlich die Kompetenz der Gemeinden zum Erlass von entsprechenden Abstandsvorschriften anerkannt. Der Entscheid ist französisch abgefasst; entweder versteht der zürcherische ARE-Chef diese schweizerische Landessprache nicht oder er ist seinem rein ideologischen Denken bedenklich verhaftet. Tatsache ist, dass in § 88f. des Zürcher Raumplanungsgesetzes die Baudirektion, und nicht das ARE, für die Genehmigung bzw. Nicht-Genehmigung von Bau- und Zonenordnungen zuständig ist und dass allfällige Nichtgenehmigungen gemäss dem kantonalen Verwaltungsrechtspflegegesetz als Direktionsverfügungen an den Gesamtregierungsrat weiterziehbar wären. Letztlich wäre Lausanne sachlich zuständig. Ferner ist daran zu erinnern, dass im Kanton Zürich Abstandsbestimmungen generell zulässig sind. Hier spielt die Gemeindeautonomie eine gewichtige Rolle. Irgendwelchen Beschränkungen auf Abstände innerhalb ein und derselben Zone entbehren der notwendigen gesetzlichen Grundlage. Kantonale Messund Berechnungsvorschriften und dergleichen sind erst im konkreten Einzelfall zu beachten.

Es geht um Volksrechte

Der Amtschef hätte schon beim Versand des Mails erkennen können, dass der Sache nicht bloss baurechtliche Fragen zugrunde liegen. Denn schon damals waren Initiativen angekündigt. Er musste sich bewusst sein, dass seine Intervention auch Initiativen und damit wichtige demokratische Rechte traf. In der Regel werden Einzelinitiativen von einzelnen oder mehreren Personen eingereicht, in Wetzikon steht aber eine Volksinitiative zur Behandlung. Es steht eines der wichtigsten demokratischen Rechte auf dem Spiel. Die Schranken derselben bedürfen einer klaren gesetzlichen Grundlage. Eine solche fehlt. Auch im kantonalen Gesetz über die politischen Rechte (GPR) findet sie sich nicht. Die gültigen Initiativen sind als solche zur Abstimmung zu bringen. Zeitnah, separat und ohne eine ganze oder teilweise BZO-Revision. Dies haben die Gemeindeexekutiven zu beachten. Es geht um urdemokratische Rechte von Bürgerinnen und Bürgern!

über den Autor
Karl Spühler
SVP (ZH)
weiterlesen
Kontakt
SVP des Kantons Zürich, Lagerstrasse 14, 8600 Dübendorf
Telefon
044 217 77 66
Fax
044 217 77 65
E-Mail
Social Media
Besuchen Sie uns bei:
Wir verwenden Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten und Zugriffe auf unsere Webseite analysieren zu können. Ausserdem geben wir Informationen zur Nutzung unserer Webseite an unsere Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter. Details ansehen
Ich bin einverstanden