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Befreiungsschlag oder alter Wein in neuen Schläuchen?

Das integrative Schulmodell führt zu wachsenden Problemen, wie sogar einige Befürworter eingestehen. Nun ergreift die Schule Wetzikon die Flucht nach vorne und bekennt sich zur Inklusion. Was ist davon zu halten?

Die «Inklusion» bereitet sowohl Schülern als auch Lehrern Kopfzerbrechen. Bild: Adobe Stock

Neulich präsentierte die Schule Wetzikon einen Film über ihren «Weg zur Schule der Vielfalt». Kurz vorher durfte sie im «Zürcher Oberländer» das Loblied der Inklusion singen. Eine kritische journalistische Einordnung erfolgte nicht, obschon die Vorbehalte der SVP gegen das inklusive Schulmodell wohlbekannt sind. Vielleicht liegt dies an den immer knapperen Ressourcen der Medien für lokale Politik.

Postulat zeigt Probleme auf
Rückblende: Im Jahr 2021 reichte die SVP ein Postulat zur integrativen Schule ein. Die Antwort des Stadtrats förderte eine schier unübersehbare Palette von Massnahmen zutage, mit denen alle Kinder in der Regelklasse beschult werden sollen. Was gut tönt, führt zu einem riesigen Koordinationsaufwand, Unruhe im Klassenzimmer und Überforderung bei Schülern und Lehrern. Die «Integration» ist ein Etikettenschwindel, wenn schwache Schüler ständig aus dem Klassenverband herausgenommen und faktisch separiert beschult werden. Zudem zeigte eine Umfrage der Schule unter den Wetziker Lehrern deren hohe Belastung. Die drei meistgenannten Stressoren (administrative Aufgaben, schwierige Schüler und heterogene Klassen) sind Krisensymptome der integrativen Schule. Welche Schlüsse zog die Schule Wetzikon daraus? Leider traf sie keine Anstalten, den Dschungel von Fördermassnahmen auszulichten, die Lehrer von administrativen Aufgaben zu entlasten, die Eltern von Problemschülern vermehrt in die Pflicht zu nehmen und separierenden Unterricht zuzulassen. Stattdessen setzte sich die Schulpflege ein neues Legislaturziel: «Die Schule Wetzikon ist inklusiv ausgerichtet.»

Vermeintlich neue Ansätze
Ein weiterer SVP-Vorstoss förderte im Januar 2024 keine klare Definition von Inklusion zutage. Mit Phrasen wie «progressiver Entwicklungsschritt» und «sich gemeinsam auf den Weg machen» entzieht man sich der inhaltlichen Diskussion und der kritischen Bewertung von Ergebnissen. Die neu entwickelten «Impulskarten » der Schule Wetzikon zeigen, worum es wirklich geht: Individualisierung, selbstorganisiertes Lernen, Unterrichten nach dem Churer Modell usw. Solche vermeintlich innovativen Ansätze werden von den pädagogischen Hochschulen eifrig propagiert. Die Unterschiede zur integrativen Schule, welche zu den heutigen Problemen geführt hat, sind somit mehr semantischer als inhaltlicher Natur. An den bestehenden Problemen ändert sich mit der Inklusion wenig: Die Belastung der Lehrer wird durch noch mehr Absprachen und individualisierte Einzelförderung steigen. Die komplexen Strukturen mit vielen Hilfs- und Fachpersonen im Schulzimmer werden nicht angetastet. Schüler können nicht in halbwegs homogenen Leistungsgruppen lernen. Zudem ist es «alter Wein in neuen Schläuchen», wenn Konzepte wie «Draussen- Schule» und «Peer-Teaching» propagiert werden. Erfahrene Lehrer setzen solches seit Jahren um – auch ohne Berufung auf die modische Inklusion.

Was die Wissenschaft dazu sagt
Der Bildungsforscher John Hattie hat in seiner bahnbrechenden Metastudie bereits vor rund 15 Jahren nachgewiesen, was für den Lernerfolg entscheidend ist: die pädagogische Haltung des Lehrers und seine Fähigkeit, zu den Schülern eine echte Lernbeziehung aufzubauen. Daher sind Ansätze wie dialogisches Lernen oder Lerncoaching vielversprechend. Genau solches wird aber durch selbstorganisiertes Lernen und individualisierten Unterricht stark beeinträchtigt – auch das ist wissenschaftlich erwiesen. So erstaunt es nicht, dass die Inklusion als Ganzes in der Hattie-Studie schlecht abschneidet. Fazit: Die Schule Wetzikon führt ein, was erwiesenermassen nicht funktioniert, und schafft ab, was funktioniert. Was bleibt zu tun? Wo man die Inklusion nicht verhindern kann, gilt es, sie wenigstens kritisch zu begleiten und die Befürworter auf ihren Versprechen zu behaften.

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Zeno Schärer
SVP Gemeinderat (ZH)
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