Bildungspolitik: Hohe Präsenz führt zu Erfolg
Noch selten war es so offensichtlich, wie wichtig es war, dass die gewählten Parlamentarier am Montag auch tatsächlich im Rat präsent waren. Denn erfreulich und sehr aussergewöhnlich konnte der neue SVP-Kantonsratspräsident Jürg Sulser nicht nur einen, sondern sogar zwei Stichentscheide fällen und somit zwei bildungspolitische Geschäfte im Sinne der SVP bzw. der Bürgerlichen entscheiden. Aber der Reihe nach.
Die Bürgerlichen wollen den Lehrermangel durch eine Erhöhung der Pensen und eine Reduktion der Bürokratie bekämpfen. Bild: pxhere.com
Neue Besen kehren gut. Diesen Eindruck hatte man zumindest, wenn man die Anzahl der behandelten Traktanden anschaut. Ganze elf Geschäfte wurden an diesem Montag abgearbeitet. Unumstrittene Geschäfte Relativ unspektakulär, weil einstimmig, war die Vorlage zum Thema Kinder- und Jugendheimgesetz, das die Gemeinden einmal mehr entlastet beim Kostenverteilschlüssel. Ebenso unbestritten war das Gesetz über den Beitritt zur interkantonalen Vereinbarung für schulische Angebote in Spitälern – im Grunde eine Finanzierungsvereinbarung der kantonalen Erziehungsdirektoren.
Verbesserung der Spurensicherung
Einen ersten Erfolg verbuchten die SVP-Kantonsrätinnen Susanna Lisibach und Sandy Bossert mit ihrem Postulat zum Aufbau eines aufsuchenden Dienstes für «Forensic Nurses». So soll sichergestellt werden, dass Opfer sexueller Gewalt die Spuren sichern lassen können, noch bevor sie bei der Polizei vorstellig werden, da dieser Schritt mit Scham behaftet ist und viele Frauen von einer Anzeige abschreckt. Wiederum unbestritten war dann die Beratung des Universitätsgesetzes, mit dem die Universität Zürich eine eigene Eigentümerstrategie erhalten soll. Der Rat ist dabei allen Anträgen der vorberatenden Kommission für Bildung und Kultur (KBIK) gefolgt.
Lehrer-Pensen erhöhen
Zur Sache ging es dann aber endlich beim Postulat der FDP, das eine Erhöhung des durchschnittlichen Beschäftigungsgrads in der Volksschule verlangt. Der Hebel, den die FDP dazu vorschlug, nämlich eine gezielte, bessere Honorierung von Lehrpersonen, die höhere Pensen leisten, stiess nicht bei allen auf fruchtbaren Boden. Dies sei in höchstem Masse asozial und diskriminierend. Auch das Votum von SVPKantonsrat Rochus Burtscher, wonach mit einer nur minimalen Pensenerhöhung der Lehrermangel entschärft werden könnte, konnte die linke Ratsseite und auch die GLP nicht umstimmen. Und so entstand mit 87 zu 87 Stimmen die erste Patt-Situation, die SVP-Kantonsratspräsident Jürg Sulser selbstverständlich zugunsten der Bürgerlichen entschied.
Weniger Bürokratie im Lehrerberuf
Einen weiteren Schlagabtausch lieferten sich die beiden Lager auch beim nächsten Traktandum. Es ging um eine Motion, die forderte, für den Tätigkeitsbereich, d.h. Aufgaben von Klassenlehrern neben dem Unterricht, im neuen Berufsauftrag 200 Stunden pro Jahr festzulegen statt wie bisher 100 Stunden. Stetig zunehmende Zusatzaufgaben, wie z.B. Elterngespräche, sprengen die Zeitpensen vieler Lehrer und führen zu einer Reduktion der Arbeitszeit, die effektiv für den Unterricht verwendet wird. Rochus Burtscher sah die Lösung der immer grösser werdenden administrativen Flut natürlich nicht beim Vorschlag der Motionäre, sondern schlug vor, zuerst einmal auf die Überarbeitung des Berufsauftrages zu warten, da schliesslich der Evaluationsbericht bereits vorliege. Zudem wäre es an der Zeit, die administrativen Aufgaben zu überdenken und grundsätzlich zu entschlacken und so den Beruf wieder attraktiver zu machen. Wie bereits beim vorhergehenden Traktandum hielten sich die Stimmen von SP, GLP, Grüne und EVP gegen SVP, Mitte und FDP die Waage, sodass erneut der Kantonsratspräsident den Stichentscheid geben durfte und die Motion somit abgelehnt wurde. Die letzten zwei Abstimmungen zeigten eindrücklich, wie wichtig es ist, dass wirklich jeder Kantonsrat sein Amt ernst nimmt und im Rat präsent ist – dafür sind wir schliesslich gewählt.