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Bundesverfassung nur noch ein Papierfetzen?

Als einer der letzten lebenden ehemaligen Studenten des grossen schweizerischen Staatsrechtlers Zaccaria Giacometti bin ich tief besorgt, wie in den letzten Jahren unsere Berner Exekutive und leider viele eidgenössische Parlamentarier unsere Bundesverfassung missachten.

Verschandelung ohne Einsprachemöglichkeit? Der Mantelerlass verletzt in der Bundesverfassung garantierte Rechte. Bild: Freie Landschaft Zürich

Die Bundesverfassung ist nicht einfach ein Gesetz unter vielen, sie ist das Grundgesetz der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Das lernte die damalige Studentengeneration von Professor Zaccaria Giacometti. Dieser lehrte uns die Triologie «Gewaltenteilung – Freiheit – Demokratie». Sie bilden die Grundfesten unseres Rechtsstaates. Im Jahre 1942 warnte Giacometti, dass unsere Verfassung zum Trümmerfeld des Rechts zu werden drohe. Heute sind wir wieder auf dem Weg dazu. Volk, teilweise auch die Bundesversammlung werden entmachtet. Der Rechtsstaat wird bedenkenlos den Schalmeien des Augenblickes geopfert. An drei Beispielen sei der Versuch unternommen, dies aufzuzeigen.

Integration in die EU hebelt Demokratie aus
Unter Führung von Bundesrat Cassis und starker Unterstützung von Bundesrätin Amherd und den beiden SP-Bundesratsmitgliedern Elisabeth Baume- Schneider und Beat Jans wird alles versucht, baldmöglichst die Schweiz in die EU zu integrieren. Die Mehrheit der Medien stimmt zu. Krass undemokratische Übernahme fremden Rechts wird in Kauf genommen. Das soll nicht nur für geltendes, sondern auch für zukünftiges Recht gelten. Dass dadurch unsere in der Bundesverfassung verankerte Freiheit aufs Gröbste missachtet wird, ist egal. Dabei handelt es sich um die demokratische und föderalistische Freiheit. Dass dies die meisten Kantonsregierungen verkennen, bereitet aus freiheitlich- demokratischer Perspektive, auf welcher unsere Bundesverfassung und die Kantonsverfassung beruhen, tiefe Sorgen. Das Bundesgericht soll nicht mehr, wie in der Bundesverfassung verankert, unser oberstes Gericht sein. Teilweise soll das EU-Gericht endgültig entscheiden. Dieses ist kein unabhängiges Gericht, wie wir es verstehen. In den Augen mancher vorzüglicher schweizerischer Juristen ist das sogenannte EU-Gericht überhaupt kein wirklich unabhängiges Gericht, sondern einfach ein fremdes Gremium. Und ein solches soll für die Schweiz Recht sprechen … Sollte der Rahmenvertrag abgeschlossen werden, bedarf dies klar einer Volksabstimmung, wobei das Volks- und Ständemehr gilt. Denn nicht nur einzelne Artikel der Bundesverfassung werden durch den Rahmenvertrag geändert, sondern unsere Unabhängigkeit und die freiheitlich-demokratische Grundordnung werden aufgegeben. Gegen das Ständemehr laufen die Euro-Turbos und mit ihnen zwei Professorinnen aus Freiburg und Basel Sturm. Letztere wären jedoch entsprechend ihrer Stellung dem Recht und nicht der Politik verpflichtet.

Nicht-Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative
Vor beinahe acht Jahren wurde bekanntlich die sogenannte Masseneinwanderungsinitiative von Volk und Ständen angenommen. In der Bundesverfassung steht klipp und klar, dass der Bundesrat oberste vollziehende Behörde des Landes ist. Er hat die Beschlüsse der anderen Staatsorgane zu vollziehen. Zwar mag die Initiative den bilateralen Verpflichtungen mit der EU in ihrem vollen Wortlaut etwas entgegenstehen. Entscheidend bei jeder Vertragsauslegung ist aber nicht der sture Wortlaut, sondern der Sinn. Dieser Sinn besteht in der möglichst eigenständigen Regelung der Zuwanderung. Bis heute geschah jedoch in dieser Hinsicht nichts oder kaum etwas Entscheidendes. Und unsere Bundesverfassung regelt die Zuständigkeit und die Verpflichtung zum Vollzug. Den Letzteren – auch sinngemäss – zu verweigern, stellt eine eindeutige Verletzung der Bundesverfassung dar.

Mantelerlass: Verfassungsmässigkeit nicht geprüft
Das neuste Beispiel der Missachtung der Verfassung stellt das Stromgesetz, auch bekannt als Mantelerlass, dar. Der Mantelerlass kommt am 9. Juni 2024 zur Abstimmung. Er wurde vom Bundesrat weitgehend unbesonnen und ohne ernsthafte Prüfung der Verfassungsmässigkeit übernommen. Die eidgenössischen Räte kamen ihrer Pflicht dazu ebenfalls ungenügend nach. Das Energieproblem ist durchaus vorhanden. Die Bundesverfassung ist aber auch vorhanden. Zaccaria Giacometti forderte aber, dass sich alles staatliche Handeln an der Verfassung zu orientieren hat. Niemals darf aber nur dem aktuellen Bedürfnis gefolgt werden und es ist stets nach freiheitlich-demokratischen, d.h. verfassungskonformen, Lösungen zu suchen. Dies wurde in diesem Zusammenhang unterlassen.

Verfassung wird verletzt
Folge bildeten klare Verfassungsverletzungen. Ein Zürcher Staatsrechtsprofessor – beileibe kein Gegner von staatlichen Eingriffen – eruierte beim Mantelerlass deren fünf. Wegbedungen wird das Einspracherecht von Privaten und Gemeinden. Nach der Bundesverfassung steht ihnen aber das rechtliche Gehör zu. Jeder Betroffene hat einen Anspruch auf eine unabhängige Beurteilung. Verfassungsrechtlich gewährleistet ist die Eigentumsgarantie. Dasselbe gilt für die Gemeindeautonomie. Einschränkungen von Grundrechten müssen verhältnismässig sein. Ist die Verhältnismässigkeit gewahrt, wenn erhebliche Teile unserer einzigartigen Landschaft verunstaltet werden? Wie steht es um die Verpflichtung des Bundes in Artikel 73 der Bundesverfassung zur Nachhaltigkeit? Und im nächsten Verfassungsartikel wird der Bund verpflichtet, den Menschen u.a. vor lästigen Einwirkungen, z.B. Immissionen von Windrädern, zu schützen. Der Schutz des Waldes obliegt nach der Verfassung ebenfalls dem Bund. All dies wird durch den Mantelerlass missachtet.

über den Autor
Karl Spühler
SVP (ZH)
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