Das neue Stromgesetz … und jetzt?
Am 9. Juni 2024 hat das Schweizer Stimmvolk über den sogenannten Mantelerlass abgestimmt und diese mit einer grossen Mehrheit angenommen. Nun, «Mantelerlass», was bedeutet das?
Nein zum Mantelerlass. Bild: SVP Bauma
«Mantelerlass», was bedeutet das? Hinter dieser Bezeichnung, unter anderem auch als Stromgesetz bezeichnet, verstecken sich vier verschiedene eidgenössische Gesetze: das Energiegesetz, das Stromversorgungsgesetz, das Raumplanungsgesetz und das Waldgesetz. In allen vier Gesetzen wurden mit dem Volks-JA Anpassungen genehmigt. Mit dem technischen Inhalt dieser Gesetze will ich sie als Leserin und Leser verschonen, möchte aber aufzeigen, was diese Änderungen mit sich bringen und wie gross die Erfolgschancen hiermit für eine ausreichende, sichere und wirtschaftliche Stromversorgung sind. Übrigens, die drei Adjektive «ausreichend, sicher und wirtschaftlich» stehen in der Schweizerischen Bundesverfassung und stellen für eine gut funktionierende Volkswirtschaft eines der Hauptfundamente dar.
Was ändert sich nun nach dieser Abstimmung konkret?
Dem Volk und den Gemeinden wird das Mitbestimmungsrecht über den Bau von Stromerzeugungsanlagen entzogen. Baubewilligungen dafür werden direkt durch die kantonale Verwaltung erteilt. Der Gerichtsweg zur Behandlung von Einsprachen wird abgekürzt. Windkraftanlagen im Wald, einschliesslich der dazugehörigen Erschliessungsstrassen, gelten als standortgebunden. Das bedeutet, dass somit Strassen für 40-Tonnen-Lkw für den gewerblichen Bau und Unterhalt von Windkraftanlagen sowie die Abholzung von 10 000 m² Waldfläche, beispielsweise für eine Windkraftanlage, gesetzlich legitimiert werden. Die Erbauer von Stromkraftwerken müssen auf Flora, Tiere und schützenswerte Naturreservate Rücksicht nehmen. Nicht dass dies schlecht wäre. Jedoch ist Rücksicht gegenüber der Bevölkerung nicht vorgeschrieben und kann somit durch die Erbauer vernachlässigt werden.
Fachleuten diskutieren kontrovers
Mit diesen Anpassungen wird ein Weg geebnet, der unter Fachleuten sehr kontrovers diskutiert wird. Die Lager sind dann auch sehr schnell gefunden. Einerseits sind es einige grosse Stromproduzenten, andererseits finden sich die Gegner an den Universitäten. Diese Lagerbildung ist auch nicht sehr erstaunlich. Sind doch die Eidgenössischen Technischen Hochschulen, die ETH in Zürich und die EPFL in Lausanne, beauftragt, zu forschen und in diesem Bereich die Auswirkungen von Strategien aufzuzeigen. Im Gegensatz dazu verdienen die Stromlieferanten gerade im Bereich der erneuerbaren Energien durch gigantische Subventionen ihr tägliches Brot. Die Forschenden an den Universitäten zweifeln daran, dass mit diesem eingeschlagenen Weg zum gigantischen Wind- und Photovoltaikausbau eine ausreichende Stromversorgung sichergestellt wird. Sie vertreten den Standpunkt, dass es weitere starke Kraftwerke für Zeiten ohne Wind und Sonne brauche. Das heisst, wir benötigen für die ausreichende Stromversorgung mit dieser Strategie zukünftig drei Kraftwerke anstelle von heute einem.
Strompreis wird steigen
Dies werde sich auch im Strompreis zukünftig abzeichnen, so Prof. Dr. Züttel von der EPFL. Der Strompreis werde etwa dreimal so hoch sein wie bisher. Dies stellt jedoch für die Stromproduzenten kein Problem dar. Sie werden diese Kraftwerke gerne bauen, denn mit 60% Subventionen vom Bund für den Bau einer Anlage gibt es Millionen Franken, um ihr Geschäft zu vergolden.
Liebe Leserinnen, liebe Leser, die Weichen wurden am 9. Juni 2024 dazu gestellt. Ich masse mir nicht an, den Volksentscheid in Frage zu stellen. Das Stimmvolk erachtete diesen Entscheid als den richtigen. Jetzt ist es aber zentral, dass die Politik aus dem Dornröschenschlaf erwacht, die Entwicklungen klar analysiert und frühzeitig die notwendigen Schlüsse zieht. Ich möchte uns vor Auswirkungen wie in Deutschland, Dänemark, Italien, Belgien etc. bewahren. Vorgaben der Europäischen Union zwingen ihre Mitgliedsländer, unter Androhung von Bussgeldern, ihre Stromversorgung umzubauen. Das Resultat: 40 bis 50 Rappen pro kWh elektrischen Strom sind im Ländervergleich nichts Aussergewöhnliches, umso schlimmer trifft dies aber die Bevölkerung. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Der Ausbau des Stromnetzes muss massiv gefördert werden, für erneuerbare Stromproduktion werden zusätzliche Abgaben erhoben, bestehende Kraftwerke müssen schneller abgeschrieben werden, etc. Das können wir als kleines, innovatives Land nicht verkraften. Solche Strompreise schaden letztlich allen: Familien, dem ÖV, Arbeitnehmerinnen und Arbeitgebern, dem Gewerbe, der Industrie. Alle sind, wie es bereits die Bundesverfassung vorgibt, abhängig von bezahlbarem Strom. In diesem Sinne bereitet mir das «… und jetzt?» im Titel dieses Berichts Bauchschmerzen.