Die Baudirektion missachtet die Gemeindeautonomie weiterhin
Die Bauordnungen der Gemeinden unterliegen der Genehmigungspflicht durch die kantonale Baudirektion. Dies gilt im Besonderen für die Abstandsvorschriften. Unbesehen des konkreten Falles ist die Ideologie Trumpf.

Die Bundesverfassung steht auf der obersten Stufe des schweizerischen Rechtssystems. Bild: Parlamentsdienste 3003 Bern / Rob Lewis
Als erste Gemeinde ist Hittnau das Opfer. Die Baudirektion genehmigte die Abstandsvorschriften für Windenergieanlagen, welche in der Gemeinde Hittnau demokratisch erlassen worden sind, nicht. Weitere Nichtgenehmigungen werden folgen. Wer als rechtstaatlichdemokratisch denkender Jurist und Staatsbürger den Nichtgenehmigungsentscheid der Baudirektion objektiv liest, wird stutzig. Wichtige Elemente fehlen nämlich. Die massgebenden Bestimmungen der Bundesverfassung und der Zürcher Kantonsverfassung sowie gewisse Gesetzesbestimmungen werden überhaupt nicht erwähnt; sie würden der Ideologie widersprechen. Deshalb fehlt jede Auseinandersetzung mit ihnen.
Wo bleibt die Gemeindeautonomie?
In der Bundes- und der Zürcher Kantonsverfassung ist die Gemeindeautonomie fest verankert. Sie gilt – so das Bundesgericht – im Kanton Zürich in besonderem Masse. Nicht nur die Bestimmungen über die Gemeindeautonomie werden mit keinem Wort erwähnt, sondern auch Artikel 1 Absatz 4 der Kantonsverfassung, wo es wörtlich heisst: «Der Kanton anerkennt die Selbstständigkeit der Gemeinden.» Der Ideologie des Herrn Baudirektors Martin Neukom steht dies entgegen, also erwähnt man es nicht. Man behauptet einfach frisch-fröhlich, die Gemeinden hätten kein Recht, im ganzen Gemeindegebiet zu legiferieren. Derweil heisst es in der Bauordnung der Gemeinde Hittnau in Artikel 1: «Das Gemeindegebiet wird, soweit es sich nicht um Wald handelt,…» Die Gemeindeordnung Hittnau bestimmt, wie übrigens viele Bauordnungen im Kanton Zürich, somit über das ganze Gemeindegebiet, soweit es sich nicht um Wald handelt. Dieselbe Baudirektion genehmigte nämlich vor Jahren vorbehaltlos den erwähnten Artikel. Dieser ermächtigt die Gemeinde, ausser über den Wald über das ganze Gemeindegebiet zu legiferieren.
Heute verkündet sie das Gegenteil. Sie handelt aus rein ideologischen Gründen dem Prinzip von Treu und Glauben zuwider. Dieses ist auch in der Bundesverfassung garantiert, was der Baudirektion offensichtlich egal ist. Man darf sich fragen: Ist die Verfassung für die Baudirektion lediglich ein Papierfetzen?
Sodann ist auffällig, dass die Baudirektion auf einige weitere gewichtige Argumente der Gemeinde Hittnau gar nicht eingeht. So werde nach dieser u.a. der Aussichtsschutz und eine einwandfreie Umgebungsgestaltung in der Gemeindebauordnung für das ganze Gemeindegebiet geregelt; auch diese Bestimmungen wurden von derselben Baudirektion genehmigt. Hat die Baudirektion nie etwas vom ebenfalls prominent in der Bundesverfassung verankerten Anspruch auf rechtliches Gehör gehört? Weiss die eine Hand vor lauter grünroter Ideologie nicht mehr, was die andere Hand getan hat?
Rechtskräftiger Richtplan fehlt
In der Verfügung der Baudirektion wird richtigerweise ausgeführt, es bedürfe für Windenergieanlagen eines Eintrages im Richtplan. Dabei wird jedoch verschwiegen, dass es bis heute an einem rechtskräftigen Richtplan fehlt. In diesem Zusammenhang führt die Baudirektion zutreffend aus, für die Festlegung im Richtplan seien alle relevanten Schutzinteressen in eine Interessenabwägung einzubeziehen. Dazu bedürfe es einer Einzelfallbetrachtung. Eine solche sucht man aber in der die Gemeinde Hittnau betreffenden Verfügung vergeblich. Eine Einzelfallbetrachtung wäre ohne Weiteres möglich gewesen, da in der Gemeinde Hittnau nur zwei Standorte für Windräder ernstlich infrage kommen.
Salopp kommt die Baudirektion zum Schluss, die demokratisch erlassene Ergänzung der Bauordnung der Gemeinde Hittnau sei unzweckmässig und deshalb nicht zu genehmigen. Es ist anzunehmen, dass die Baudirektion in anderen Gemeinden analog vorgehen wird.
Verfassung geht vor
Der Kern der Auseinandersetzung liegt im Verfassungsrecht: Die Bundesverfassung geht vor. Alle Gesetze haben sich an die Bundesverfassung zu halten. Dies verkennt Herr Baudirektor Neukom. Er tut dies öffentlich kund in einem aktuellen Statement im Tages-Anzeiger. Ihm ist ganz offensichtlich die linksgrüne Ideologie wichtiger als die Verfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft.
Anzumerken ist: Viele Bürgerinnen und Bürger – vor allem auch Rechtsgelehrte – verstehen unter rechtstaatlicher Demokratie und Verfassungstreue etwas anderes.