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Die Schweiz verkennt sicherheitspolitische Realitäten

Ukraine-Krieg, Gaza-Krieg, Masseneinwanderung und wachsende Kriminalität. Viele Menschen in unserem Land sind verunsichert. Wir haben dem Sicherheitsexperten Lukas Joos Fragen zur akuellen Sicherheitslage gestellt. Joos setzt sich politisch für eine härtere Bestrafung von Gewalttätern ein.

Die Strafe spielt in der modernen Justiz eine immer kleinere Rolle. Lässt sich damit noch Gerechtigkeit herstellen? (Bild: Tim Reckmann (Flickr.com))

Wie beurteilen Sie die aktuelle Sicherheitslage? Hat sie sich im Vergleich zum letzten Jahr verbessert? Wissen Sie, für mich ist diese Frage zu einer Art Rohrschachtest geworden. Wer immer noch behauptet, die Sicherheitslage erodiere nicht, lebt wohl entweder in einem sehr entlegenen Tal oder hat ein ernsthaftes Problem, die Realität zu akzeptieren.

Welche sicherheitspolitischen Herausforderungen stellen sich für die Schweiz? Die grösste Herausforderung ist, dass die Politik im Bereich der Sicherheit mehr oder weniger immun gegen Entwicklungen und Fakten geworden ist. Trotz der russischen Invasion in der Ukraine kommt die Aufrüstung der Armee nicht richtig vom Fleck. Trotz der offensichtlichen Gewalt- und Terrorgefahr durch die unkontrollierte Immigration aus Scharia-Ländern sind die Grenzen noch genauso offen wie am Tag des Bataclan-Massakers. Israel hat seit dem 7. Oktober eine Notstandsregierung gebildet, sich auf eine Militäroffensive in den Gazastreifen vorbereitet und diese Initiative schon zu wesentlichen Teilen umgesetzt – alles in weniger als drei Monaten. So handelt ein Land, das in der Lage ist, den sicherheitspolitischen Realitäten ins Auge zu schauen. Die Schweiz hat diese Kraft, wenn überhaupt, dann nur noch sehr bedingt. Die erste und wichtigste Herausforderung ist es, diese Kraft wiederzuerlangen.

Gewaltbereite Hamas-Freunde

Welche Auswirkungen hat der Krieg zwischen der Hamas und Israel für die Schweiz? Die Juden sind der Kanarienvogel in der Kohlenmine. Wir wissen alle, wie sehr der offene und auch gewalttätige Antisemitismus seit dem 7. Oktober auch in der Schweiz zugenommen hat. Auch für die Frauen, für Homosexuelle, bekennende Christen und andere Gruppen wird es bald noch viel ungemütlicher werden. Die Terroristen und ihre Sympathisanten hier sind dem Westen in allem ausser in einem unterlegen: in der Bereitschaft, Leute einzuschüchtern und körperlich anzugreifen. Nur leider genügt das völlig, um zu gewinnen, wenn die Gegenseite zu zimperlich ist, die nötige Gegengewalt auszuüben. Die Mixtur aus offenen Grenzen, Softie-Justiz, woken Polizei-Einsatzregeln und flächendeckenden Waffentragverboten wirkt für jede westliche Gesellschaft tödlich.

Verrohung der Sitten

Wie sieht es mit der Kriminalität aus in der Schweiz, nimmt sie zu oder ab? Es gibt Kriminalität und Kriminalität. Urkundenfälschung ist Kriminalität, Sexualmorde sind Kriminalität. Was zunimmt, ist nicht nur die Gewaltbereitschaft, sondern auch die Verwahrlosung des öffentlichen Raums und die Verrohung der Sitten. Und das ist für die Lebensqualität der Bewohner und für den sozialen Frieden viel relevanter als zum Beispiel eine Zunahme von sogenannten «white collar crimes». Die Linken sagen, härtere Strafen hätten keine abschreckende Wirkung und würden deshalb die Kriminalität nicht senken. Was halten Sie von dieser Aussage? Diese Aussage ist im politischen Kontext vor allem eines: irrelevant. Der primäre Zweck des Strafrechtes ist es, zu strafen, also stellvertretend für das Opfer Gegenleid zuzufügen. Und genau unter diesem Aspekt sind die teils absurd weichen Strafen gerade für Delikte gegen Leib und Leben inakzeptabel. Sie haben im Bundeshaus gegen Geldstrafen für Vergewaltiger lobbyiert. Waren Sie mit Ihrer Arbeit erfolgreich? Ich habe ein Komitee geleitet, das sich dafür einsetzte, dass die Mindeststrafen im neuen Sexualstrafrecht auf ein vernünftiges Mass angehoben werden. Die Möglichkeit der Geldstrafe für Vergewaltigung konnten wir verhindern. Aber vieles andere nicht, und das beelendet mich. Mir tun die Opfer leid, die so vor Gericht erneut zum Opfer werden. Nein, von einem Erfolg kann man nicht sprechen.

Junge Frauen für strenge Strafen

Die Forderung nach härteren Strafen ist unter der Bevölkerung sehr populär. Warum gibt es trotzdem keine härteren Strafen? Ein weiches Strafrecht gehört international zu den Kernanliegen der modernen, progressiven Linken. Auch in der Schweiz ist das so. Nur ist in der Schweiz das Interesse der bürgerlichen Parteien am Strafrecht und an der inneren Sicherheit sehr begrenzt. Es gibt in der Schweiz, im Gegensatz zum Beispiel zu den USA, keinen genügenden bürgerlichen Gegendruck in diesen Fragen. Das ist der Hauptgrund dafür. Woher dieses Desinteresse kommt, weiss ich auch nicht. Es ist komisch – umso mehr, dass solche Forderungen tatsächlich sehr populär sind, auch bei Schichten, bei denen die Bürgerlichen sonst eher Mühe haben. Wir haben das auch in unserem Komitee gemerkt. Bei einer Strassenumfrage nahmen wir Videostatements auf. Der Zuspruch war durch alle Schichten gross, aber wir hatten einen Überhang von jungen Frauen, die vor die Kamera wollten. Für die linksgrünen Mitglieder des Komitees war das nichts Besonderes, das merkte ich, für die Bürgerlichen hingegen schon.

Das Interview führte Daniel Rickenbacher.

über den Autor
Daniel Rickenbacher
SVP (ZH)
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