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Die Tage der Bewährung

Mit den diesjährigen Pfingsten scheint wieder mehr Normalität in unserem Land einzukehren. Die touristischen Destinationen im Inland verzeichnen regen Zulauf und mit der Verabschiedung von Daniel Koch hat die Schweiz ihren beliebtesten Verwaltungsbeamten in den Ruhestand verloren. Irgendwie scheint die Corona-Krise am Abklingen, aber irgendwie sind die Folgen noch da, oder kommen erst richtig zum Vorschein.

Diese Erkenntnisse und das Ziehen der richtigen Konsequenzen daraus obliegen dann der Politik, welche sich nun wieder warmläuft, um die Kontrolle über die Gegenwart zurückzubekommen. Hoffentlich haben wir Politiker dann auch die Gnade und das Rückgrat, um aus dem Geschehenen zu lernen und die Zukunft bestmöglich gestalten zu können. Am Pfingstmontag herrschte auch im Zürcher Kantonsrat Ruhe und es gibt keinen Ratsbericht in dieser Woche. Als turnusgemässer Ratsberichterstatter dieser Woche, möchte der Autor aber trotzdem einen Beitrag an die politische Arbeit und für die Leserschaft leisten. Der Kantonsratsbericht der Pfingstwoche soll sich also mit dem letzten grossen Wunder befassen, welches die Schweiz unter aktiver Mithilfe der Armee erleben durfte. Die wohl dramatischste Stunde der Schweiz der Neuzeit war sicherlich der Frühsommer 1940, als nach dem neutralen Holland auch die neutrale Schweiz mit ihrer Besetzung rechnen musste. Mit diesem Bericht soll also all jenen Mut gemacht werden, die mit den Folgen der gegenwärtigen Krise zu kämpfen haben oder unsicher über das noch Kommende sind.

Darkest Hour

Noch zu Jahresbeginn 1940 herrschte in der Schweizer Öffentlichkeit das Bild von zwei grossen Blöcken, die sich nördlich von Basel bis hin zur Nordsee gegenüberstehen. Irgendwie war wohl doch das Vertrauen da, dass mit den beiden grossen parlamentarischen Nationen Frankreich und Grossbritannien, dem Nationalsozialismus bald schon Einhalt geboten werde oder zumindest ein langes Patt wie im ersten Weltkrieg entstehen könnte, wo dann das Gute am Ende doch noch siegt. Eine völlige Einkreisung der Schweiz durch einen Block, schon gar nicht durch die Achse, konnten sich die wenigsten vorstellen und nur ein paar abtrünnige Eidgenossen wünschten sich dies insgeheim. Die Eroberung von Norwegen und Dänemark im April 1940 war dann schon ein erstes Schockerlebnis und die Bestätigung für die Schweiz, dass auch auf friedliche Staaten und allenfalls nicht einmal auf die Neutralität Rücksicht genommen wird. Doch noch stand die Maginotlinie und mit der Französischen Armee die bis dato stärkste Landstreitmacht Europas dahinter. In dieser Annahme lag unsere Armee sodann auch in der Limmatstellung, welche besonders im Raum Dietikon sehr stark befestigt wurde. Sollte Hitler die Schweiz angreifen, so würde sich die der Neutralität entbundene Schweiz ins alliierte Dispositiv einfügen können, so die Überlegung der Armeeführung. Die Deutsche Offensive startete am 10. Mai 1940, worauf General Guisan auf den 11. Mai sofort die Generalmobilmachung anordnete und in die Limmatstellung einrücken liess. Schon bald stellte man fest, dass sich im Süden nichts tat, von Basel bis Metz blieb es bis auf ein paar Scheinangriffe ruhig und in der teuren Maginotlinie wartete die grösste Armee Europas vergeblich. Der Angriff der deutschen Wehrmacht und dem Gros ihrer Panzertruppen fand über die eigentlich für Panzer ungeeigneten belgischen und französischen Ardennen statt, und als Flankensicherung wurde im Vorbeiweg das neutrale und bisher eher deutschfreundliche Holland brutal erobert. Gut informierte Kreise um Bundesrat Etter (KK/CVP) wussten zwar um diese Möglichkeit und warnten die Armeeführung. Doch bevor so etwas passiert, kann es ja kaum jemand glauben. Kommt einem dies nicht bekannt vor? Bis Ende Mai hat sich die Lage im Norden komplett verändert und die Wehrmacht zwang das britische Evakuationskorps zur Flucht über den Ärmelkanal und rollte die französischen Verteidigungslinien von hinten auf. Nach Polen, Dänemark und Norwegen fielen nun auch Holland, Belgien und Frankreich einem Blitzkrieg zum Opfer. Ende Mai war dann wohl klar, dass nun alles möglich ist und Paris bald fallen könnte und danach der Weg bis ins Rhone-Tal und an die Landesgrenze bei Genf den Deutschen praktisch offenstehen wird. Für die Schweizer Öffentlichkeit und die Soldaten in der Limmatstellung entstanden mit jeder Tagesmeldung über die deutschen Erfolge eine grössere Unsicherheit und wachsende Angst. Was soll man einem Angreifer entgegensetzen, der die französische Armee niederwalzt? Was werden die nächsten Wochen bringen? Die Tage vor 80 Jahren brachten viel Kummer über unser Land und bei wenigen ein Hochgefühl. Der Bundesrat musste sich, mit einer rasant ändernden politischen Grosswetterlage auseinandersetzen und auch der Kriegseintritt Italiens an der Seite des Achsenpartners Deutschland wurde nun immer wahrscheinlicher und damit die komplette Abschnürung der Schweiz durch einen Mächteblock. In jenen Tagen war es wohl ähnlich ruhig wie um den Lockdown herum und fast niemand wagte eine klare Ansage im Angesichte der sich überstürzenden Ereignisse.

Guisans Appell an den Geist von 1291

In diesem psychologisch sehr gefährlichen Moment, wo sich ein Vakuum zu bilden begann und die Mutlosigkeit und Anbiederung bevorstand, zeigte sich der Oberbefehlshaber als geschickter und mutiger Anführer und als Kenner der Schweizer Volksseele. Mit dem Tagesbefehl vom 3. Juni 1940 appellierte General Guisan an die Eidgenössischen Werte und gab seinen Soldaten dadurch den nötigen Halt in der Krise. „Vergessen wir es nie: Das Schweizer Volk ist ein bewaffnetes Volk, das seine Unabhängigkeit bewahren will. Jeden Schweizer erfüllt der blosse Gedanke an die Möglichkeit einer fremden Besatzung mit Grauen. Eine solche würde ausnahmslos die Lebensbedingungen eines jeden von uns, sei er Bauer, Arbeiter oder Intellektueller, von Grund umstürzen.“ Unmissverständlich machte der General damit seinen Soldaten klar, dass es kein weichen gibt wie im Falle Dänemarks, sondern ein Kampf wie bei den Finnen. Der Befehl schloss mit den Worten: „Stellen wir der defätistischen Propaganda die Gesinnung der Bergleute von Uri, Schwyz und Unterwalden am 1. August 1291 entgegen. Sie waren allein auf sich selbst angewiesen, aber erfüllt von Vertrauen auf sich selbst und auf Gott. Nur auf diese Weise wird unser Land wahrhaft stark und die Armee wirklich bereit sein. – Die Parole ist einfach: Durchhalten!“ Im Angesicht der damaligen Lage und Bedrohung, ist dieser Tagesbefehl ein Lichtblick in diesen Tagen der Bewährung und verdient es, auch von den Nachgeborenen wieder einmal gelesen zu werden. Der Juni 1940 brachte wie wir heute bestens Wissen, nicht Leid über uns, sondern Verschonung, wenn dies auch bis 1945 nicht so sicher war, wie uns gewisse Kreise immer einreden wollen.

Beherztes Führen in der Krise

Die Situation im Jahr 2020 lässt sich nicht mit der von 1940 vergleichen, doch gibt es einige Parallelen. So wusste man in beiden Fällen, über die Ausmasse der möglichen Bedrohungen und deren Folgen eigentlich Bescheid. Doch ist es wohl zutiefst menschlich, den eher bequemeren Weg zu gehen und das unbequeme und unwahrscheinliche lieber auszuschliessen, bis es tatsächlich passiert. Der Bundesrat machte schon 1940 einen eher unentschlossenen Gesamt-Eindruck und war damit damals wie heute wohl trotzdem erfolgreicher, als mancher zu allem entschlossene Staatschef. Die Lichtblicke gab es aber 1940 wie 2020. Einer war sicherlich der Tagesbefehl unseres Generals vom 3. Juni 1940, ein weiterer der Rütlirapport vom 25. Juli 1940. Meine persönliche Sternstunde 2020 war die Rede von Bundesrat Ueli Maurer am 6. Mai 2020, zur ausserordentlichen Session der eidgenössischen Räte. Beherzt sprach er wie Guisan, nicht nur zum Parlament oder der Armee, sondern zum Volk und nutzte die Gelegenheit, um den ganzen Wahnsinn wieder etwas zu erden. „Machen Sie bitte Ferien in der Schweiz“ war sein Aufruf, und damit brachte er es auf den Punkt, dass es an jedem einzelnen von uns liegt, gegen die Krise anzukämpfen und wieder eine Aufbruchsstimmung zu erzeugen. Ganz besonders liegt es aber, und da hat Ueli Maurer absolut Recht, an den gewählten Volksvertretern, mit Vorbild voranzugehen! Mit einer letzten Parallele machen wir den Bogen zurück nach Zürich und zum Regierungsrat. Auch 1940 hatte der Kanton Zürich, mit Ernst Nobs, einen beherzten SP Regierungsrat, der sich mit Vehemenz für seinen Kanton einsetzte. So schrieb Nobs in den düsteren Junitagen dem freisinnigen Nationalrat Theodor Gut: „Der letzte Armeebefehl des Generals hat auf alle Schweizer den besten und stärksten Eindruck gemacht! Er sagt einem jeden, dass die Schweiz getreu ihrer Tradition, dem finnischen und nicht dem dänischen Beispiel folgen werde.“

In diesem Sinne hat der erholsame Pfingstmontag dem Kantonsrat hoffentlich gut getan, um nun wieder mit frischem Elan die Zukunft unseres Kantons zu gestalten. Dies möglichst im Sinne unserer Wählerinnen und Wähler und unter der Präambel unserer Verfassung. Möge uns die demütige Kraft und die Weitsicht eines Henri Guisan eine Inspiration sein und unser Bundesrat Ueli Maurer ein Vorbild, in seiner klaren Haltung.

 

 

 

Quelle: Willi Gautschi „General Henri Guisan“ Verlag NZZ

Quelle: Wikipedia
Bildlegende: Der letzte Armeebefehl des Generals Henri Guisan hat auf alle Schweizer den besten und stärksten Eindruck gemacht! Er sagt einem jeden, dass die Schweiz, getreu ihrer Tradition, dem finnischen und nicht dem dänischen Beispiel folgen werde.

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