Dynamische «Hörigkeit» statt selbstbestimmter Souveränität
Anlässlich der SVP-Delegiertenversammlung Ende Januar in Bürglen UR untersuchte der Ökonom und ehemalige Gewerkschaftssekretär Beat Kappeler den Entwurf eines Mandates für Verhandlungen mit der Europäischen Union. Es lohnt sich, den Inhalt dieses Papiers und den Verhandlungsentwurf genau zu betrachten.
Ökonom Beat Kappeler anlässlich der Delegiertenversammlung in Bürglen. (Bild: zVg)
Drei Bestimmungen im englischen Verhandlungsleitfaden «Common Understanding » werden eine Volksabstimmung aus verschiedenen Gründen nicht überstehen.
Dynamische Rechtsübernahme
Das eine ist die «dynamische Rechtsübernahme »: Die Schweiz soll das EURecht im Bereich der Verträge automatisch übernehmen, und zwar rückwirkend auf bestehende Abkommen sowie das diesbezügliche künftige EU-Recht. Die Gesetzgebung wird outgesourct.
EU-Gerichtshof zuständig
Das zweite – für das EU-Recht wird der Europäische Gerichtshof (EuGH) zuständig sein – und durch die dynamische Rechtsübernahme wird dies fast der gesamte Inhalt der Verträge sein. Es ist die Rede von einigen Ausnahmen, die aber auszuhandeln seien, es wird auch in nur einer Klammer das Referendumsrecht erwähnt, aber nicht konkretisiert. Die dritte Bestimmung tönt harmlos – bei ernsten Streitigkeiten soll die verletzte Partei Gegenmassnahmen ergreifen können, im betreffenden Bereich oder aber «in any other» Abkommensbereichen: Das heisst, es hängen wie in den Bilateralen wieder alle im Paket zusammen, was der EU einen grossen Hebel verleiht. Von den Inhalten her gesehen wird die Schweiz dem EU-Recht der Gesundheitsfragen, der Pandemien etc. untergeordnet.
Auch gesunde Landwirtschaft betroffen
Die Bemerkung, die Landwirtschaftspolitik sei nicht berührt, wirkt etwas dünn, gerade wenn die EU kürzlich die genveränderten Produkte allen anderen Agrarprodukten gleichstellte – was hierzulande kaum Freude macht. Eine vage formulierte Aushandlung soll den Finanzplatz betreffen – ebenso eine «hochrangige » Koordination der Aussenund Sicherheitspolitik: Das alles ist ein sehr weites Feld.
Voller Familiennachzug
Freizügigkeit: Die Schweiz soll den vollen Familiennachzug in auf- und absteigender Linie beider Partner gewähren, wobei kurvenreiche Regeln und Ausnahmen erwähnt werden für Rückweisung und Sozialübernutzung. Diese sind völlig offen, Seit 1987 gilt weitgehend das Mehrheitsprinzip für Entscheide (im «Rat der EU», Ministerrat), und für den Binnenmarkt reichen Mehrheitsentscheide, nicht Einstimmigkeit. Daher ein kleiner Trick: Die EU-Kommission hat fast alles im Güterrecht, Umweltrecht, Arbeitsrecht und Sozialrecht als binnenmarktrelevant bezeichnet. Tausende von Richtlinien und Regeln sind so nur mit Mehrheiten erlassen worden, Widerstrebende werden so leichtestens «vergemeinschaftet».
Illusorisches Mitwirken
Die Kommission hat das alleinige Vorschlagsrecht dazu, der Ministerrat tagt nur monatlich und muss eine Flut von Regeln verabschieden. Damit entstand ein Staat, der alles kann, alles darf, und der EuGH billigt es, oft gegen die eigenen Verträge – das ist die «Dynamik». Das im Entwurf angetönte «frühzeitige Mitwirken» der Schweiz bleibt illusorisch.
Unterwerfung per Briefpost
Deutschland ist kein Vorbild, es wird vergemeinschaftet mit seinen Garantien für Südeuropa, Schulden in der Höhe von Tausenden Milliarden Euro mitzutragen. Und als das deutsche Verfassungsgericht die Billigung des EuGH für die Gelddruckerei der Europäischen Zentralbank als Vertragsbruch kritisierte, klagte die EU-Kommission Deutschland vor ebendiesem EuGH des Vertragsbruchs an. Die deutsche Regierung erkannte am 3. August 2021 den EuGH an – am eigenen Verfassungsgericht, am Bundestag und natürlich am Volk vorbei. Unterwerfung per Briefpost. Jedenfalls ist die dynamische Rechtsübernahme in keinem anderen internationalen Vertrag vorgesehen, vielleicht zwischen Hongkong und China. Aber die Schweiz soll ihre Souveränität bewusst, bilateral und situativ mit der EU koordinieren, aber nur so. Sonst ist sie ein Satellitenstaat.
Der richtige Weg
Die Schweiz hat der EU klarzumachen, es gibt keine «institutionelle Anbindung», sondern gerne die situativen, bilateralen Abkommen, die auch die EU manchmal selbst anregt. Der Bundesrat soll endlich selbstbewusst werden. Sodann soll der Bundesrat Schikanen («nicht-tarifarische Handelshemmnisse ») der EU endlich einmal mutig vor der Welthandelsorganisation einklagen (was unter der «Dynamik» nicht mehr möglich wäre). Die Schweiz hat gegenüber den USA schon mit solchen Klagen gewonnen. Die EU würde vorsichtig, weil solche Siege auch gegenüber den USA, Japan, China etc. gälten. Die Schweiz soll der neuen asiatischen, grossen Freihandelszone CPTPP beitreten, wie England. Dort und mit den USA wächst unser Handel, nicht mit dem überregulierten, überalterten, überschuldeten Europa. Abschliessend der Volksmund, undiplomatisch, zur dynamischen Übernahme des gänzlich unbekannten künftigen EU-Rechts: «Der grösste Esel ist und Ökonom Beat Kappeler anlässlich der Delegiertenversammlung in Bürglen. Bild: zVg bleibt, wer Ungelesenes unterschreibt.»
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