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E-Voting: Nichts zu gewinnen, viel zu verlieren

Beim Versuchsbetrieb zum E-Voting waren in den vergangenen Jahren immer wieder Pannen zu verzeichnen. Trotzdem führten Bundesrat und Kantone die Versuche bis zum Juni 2019 weiter. Bei der Diskussion um die Einführung von E-Voting wird die wichtigste Frage ignoriert: Was würden wir durch E-Voting gewinnen? Die Antwort ist ernüchternd.

Die Bundesverwaltung und einzelne Kantone wollen das Abstimmen per Mausklick forcieren, während Computerspezialisten und Sicherheitsexperten zur Vorsicht mahnen. Vorsicht deshalb, weil kryptographische Fehler, Schwachstellen im Quellcode und weitere Sicherheitslücken Manipulation und Wahlfälschung ermöglichen. Und selbst wenn eines Tages der unwahrscheinliche Fall einträfe, dass Manipulation ausgeschlossen wäre, würde unsere Demokratie nicht mehr das gleiche Vertrauen geniessen wie bis anhin. Jeder Wahlausgang würde hinterfragt werden, die per Abstimmung getroffenen Entscheide würden massiv Akzeptanz verlieren, weil in den Köpfen der Leute noch immer der Verdacht bestünde, dass etwas nicht mit rechten Dingen zu- und hergegangen ist.

 

Demokratie basiert auf Vertrauen

Abstimmungsergebnisse sind heute unbestritten und geniessen deshalb bei den Gewinnern wie auch bei den Verlierern eine grosse Legitimation. Das sorgt für Frieden. Wenn man weiss, dass man sich dem Willen der Mehrheit der Stimmbevölkerung beugen muss, ist das weitaus einfacher, als wenn man den Eindruck hat, womöglich dem Willen eines Hackers ausgeliefert zu sein.

Die erste Frage, nämlich jene, ob E-Voting sicher und über alle Zweifel erhaben sei, kann also nicht bejaht werden. Allein das ist ein Grund, beim E-Voting auf die Bremse zu treten. Noch viel grundsätzlicher stellt sich die Frage, ob wir denn durch die Einführung von E-Voting etwas gewinnen könnten. Wäre es einfacher, als an der Urne oder brieflich abzustimmen? Wohl kaum. Ein simpleres System als Auspacken-Ausfüllen-Unterschreiben-Einpacken, wird es mit individuellen Zugangscodes, digitalen Unterschriften, zahlreichen Identifikationsmechanismen sowie diversen weiteren Hürden mit einem E oder einem I als Vorsilbe wohl kaum geben.

 

Teuer und unsicher

Wären Abstimmungen mit E-Voting günstiger? Auch diese Frage muss verneint werden. Die Kosten für den Betrieb der elektronischen Stimmabgabe wurden von den Kantonen bei vier Abstimmungen pro Jahr auf zwischen 11.80 und 22.80 Franken pro Stimmbürger beziffert. Eine briefliche Abstimmung kostet in der Stadt Zürich 9.60 Franken pro Stimmbürger pro Jahr, auf eidgenössischer Ebene sind es 6.60 Franken. Die Beträge setzen sich zum grössten Teil aus Druck- und Portokosten zusammen. Dabei gilt zu bedenken, dass E-Voting das bisherige System ergänzen und nicht ersetzen würde. Käme das E-Voting also zur brieflichen Stimmabgabe hinzu, wäre ein Abstimmungssonntag also weit mehr als doppelt so teuer wie bisher.

 

Noch tiefere Stimmbeteiligung

Würden durch das E-Voting mehr Stimmbürger abstimmen? Auch hier ist die Sachlage klar. Wie Bundeskanzlei und Bundesrat immer wieder unterstrichen, würde der zusätzliche Stimmkanal keine zusätzlichen Stimmen bringen. Grundsätzlich gilt: Je höher ein Risiko ist, das man eingeht, desto grösser muss der Gewinn sein, der in Aussicht steht. Das E-Voting steht unter umgekehrten Vorzeichen: Zu gewinnen gibt es so gut wie nichts und die Risiken sind erheblich.

 

Unterschriftensammlung eingestellt

Als indirekte Folge der Corona-Pandemie musste nun die Unterschriftensammlung zur Volksinitiative «für eine sichere und vertrauenswürdige Demokratie» abgebrochen werden. Die Massnahmen, welche der Bundesrat infolge des neuen Corona-Virus beschloss, betrafen neben Gewerbebetrieben auch Initiativkomitees. Abstandsregeln, Hygienevorschriften und Veranstaltungsverbote verunmöglichten das Sammeln von Unterschriften. Auch wenn die Einschränkungen nun schrittweise gelockert werden, sind Unterschriftensammlungen faktisch nach wie vor nicht möglich. Obwohl vor dem «Lockdown» schon die Hälfte der Unterschriften gesammelt war, scheint eine Zielerreichung nur mit unverhältnismässigem Aufwand möglich. Das Zustandekommen der Initiative ist in Frage gestellt. Aus diesem Grund – aber auch vor dem Hintergrund, dass wichtige Zwischenziele erreicht sind – entschied das Initiativkomitee für ein E-Voting-Moratorium, die Unterschriftensammlung abzubrechen.

 

Wichtige Zwischenziele erreicht

Mit parlamentarischen Vorstössen und politischem Druck gelang es den Vertretern des Initiativkomitees für ein E-Voting-Moratorium, in den vergangenen Monaten etliche Entscheide zu bewirken. So ist die Pannenanfälligkeit von E-Voting-Abstimmungen mittlerweile anerkannt. Verschiedene Versuche sind mittlerweile eingestellt worden. An seiner Sitzung vom 26. Juni 2019 hat der Bundesrat entschieden, vorläufig auf die Überführung der elektronischen Stimmabgabe in den ordentlichen Betrieb zu verzichten.

Zudem hat der Nationalrat am 9. Dezember 2019 der Parlamentarischen Initiative von Claudio Zanetti für einen Marschhalt beim E-Voting Folge gegeben. Damit bekräftigte auch die Mehrheit des Nationalrats, dass das E-Voting noch einmal grundsätzlich zu überdenken ist. Der Vorstoss liegt derzeit beim Ständerat.

 

Neulancierung nicht ausgeschlossen

Das Initiativkomitee hat aber unterstrichen: Sollte der Versuchsbetrieb neu aufgenommen werden und sich die Systeme nach wie vor als nicht fälschungssicher erweisen, ist es möglich, dass die Initiative neu lanciert wird. Sichere Volksabstimmungen und Wahlen mit korrekten, fälschungsfreien Resultaten, welche das Vertrauen der Bevölkerung geniessen, sind für die direkte Demokratie der Schweiz eine zwingende Voraussetzung.

 

Bildquelle: Photo by 🇨🇭 Claudio Schwarz | @purzlbaum on Unsplash

 

Bildlegende: Bei einer Einführung des E-Votings, verdoppeln sich die Kosten.

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