Ein Bürokratiemonster ohne Mehrwert
Die Volksinitiative «Für eine zivilstandsunabhängige Individualbesteuerung (Steuergerechtigkeits- Initiative)» will einen Wechsel von der Ehepaarbesteuerung zur Individualbesteuerung. In der Sondersession nächste Woche dürfte die Mehrheit des Nationalrates einen Gegenvorschlag verabschieden.

Die Individualbesteuerung wird ein Bürokratiemonster und steht im Widerspruch zur Ehe als wirtschaftliche Einheit. Bild: Pexels
In einem Punkt sind wir einig mit den Initianten: Die Heiratsstrafe gehört endlich abgeschafft. Zahlreiche Kantone zeigen, dass die Abschaffung der Heiratsstrafe möglich ist ohne eine Systemänderung, wie es die Individualbesteuerung will, welche neue Ungerechtigkeiten schafft und in einem Bürokratiemonster endet.
Bürokratiemonster
Die Umstellung löst auf einen Schlag 1,7 Millionen neue Steuererklärungen aus, die alle bearbeitet und kontrolliert werden wollen. Das benötigt weit über 2000 neue Steuerbeamte, die keine zusätzliche Wertschöpfung bringen, aber die Staatsquote zusätzlich erhöhen. Aber damit nicht genug: Bei der Musikunterrichtsanmeldung, bei Kitas oder bei Stipendiengesuchen müssen künftig zwei Steuerveranlagungen eingereicht und überprüft werden. Nicht nur aus diesem Grund sind auch die Finanzdirektorenkonferenz und der Verband der Gemeinden gegen die Individualbesteuerung.
Kompliziert
Die Einkommensdeklaration ist ja noch relativ einfach möglich. Komplexer wird es im Falle einer Ehe mit Errungenschaftsbeteiligung – und das sind heute die allermeisten Ehen – mit dem Vermögen. Da braucht es jedes Jahr eine güterrechtliche Auseinandersetzung. Kurz: Bevor die Ehepartner die Steuererklärung ausfüllen, müssen sie jedes Jahr finanziell eine Scheidung vollziehen. Das schafft bestenfalls viel Arbeit für Juristen. Das Splitting wäre hier die richtige Antwort.
Widerspruch
Die Ehe gilt als wirtschaftliche Einheit. Bei der Errungenschaftsbeteiligung, dem gesetzlichen Güterstand, werden die während der Ehe erworbenen Vermögenswerte gemeinsam verwaltet und im Falle einer Scheidung geteilt. Die Individualbesteuerung widerspricht diesem Grundsatz und will de facto nur noch den Güterstand der Gütertrennung. Das Splitting ist auch hier die richtige Lösung und nimmt genau das Anliegen der Ehe auf.
Ungerecht
Die Individualbesteuerung privilegiert eine Aufteilung der Erwerbstätigkeit zu je 50%. Wählt eine Familie eine andere Aufteilung, wird sie durch die Progression steuerlich benachteiligt. Der Staat fördert so einseitig ein Familienmodell – das ist aber nicht Aufgabe des Staates, das sollen die Ehepartner selber wählen können.
Unsozial
Stellen Sie sich eine Familie vor: Ein Partner hat ein Einkommen von 20 000 Franken, der andere Partner verdient eine halbe Million Franken. Die Familie erhält nun Krankenkassenprämienverbilligung, obwohl das Ehepaar die Prämien problemlos bezahlen könnte. Genau gleich verhält es sich bei allen anderen Unterstützungen, welche auf Einkommen und Vermögen abstützen. Zusammengefasst: Die Individualbesteuerung wird ein Bürokratiemonster, ist kompliziert, steht im Widerspruch zur Ehe als wirtschaftliche Einheit, schafft neue Ungerechtigkeiten und ist dazu noch unsozial. Mit dem Splitting haben wir eine in verschiedenen Kantonen bewährte Lösung zur Abschaffung der Heiratsstrafe, welche problemlos auch bei der direkten Bundessteuer eingeführt werden kann.