Ein konsequenter Entscheid
Eines muss man der Staatssekretärin Livia Leu Agosti, seit 2020 zuständig für die sogenannten Sondierungsgespräche für weitere Verhandlungen mit Brüssel, lassen: Sie handelt konsequent.
Offensichtlich hat die seinerzeit als «Löwin für Brüssel» bezeichnete Diplomatin eingesehen, dass sie mit den unklaren bundesrätlichen Zielsetzungen für die weitere Zusammenarbeit Schweiz – EU nicht vorankommt und dass die «Eckpunkte», die sie dem Bundesrat unter Zeitdruck bis Ende Juni vorlegen soll, nicht realistisch sind – und dass Brüssel im Wesentlichen auf einer Neuauflage des inakzeptablen Rahmenvertrags beharrt.
Der entscheidende Satz
Es rächt sich nun, dass der damalige Bundespräsident Parmelin, als er in Brüssel den Verhandlungsabbruch über das untaugliche Rahmenabkommen verkündete, den entscheidenden Satz nicht sagen durfte, weil der Bundesrat mehrheitlich dagegen war. Der Satz hätte sinngemäss lauten müssen: «Die Schweiz ist bereit für weitere Verhandlungen. Als souveränes Land werden wir aber keine Abkommen unterzeichnen, welche uns verpflichten, EU-Recht automatisch (oder «dynamisch») zu übernehmen und den Europäischen Gerichtshof im Streitfall als oberste Instanz anzuerkennen. »
Der Bundesrat braucht eine Strategie
Und es rächt sich, dass der Bundesrat keine klare Strategie für die Verhandlungen mit der EU hat, insbesondere in den Bereichen Personenfreizügigkeit, Grenzkontrolle, Unionsbürgerrichtlinie. Denn eine Strategie ist gemäss Lexikon «ein genauer Plan zur Erreichung eines Ziels – unter Berücksichtigung der Faktoren, die der Zielerreichung entgegenwirken können». Der Bundesrat muss sich endlich zu einer klaren Verhandlungsstrategie durchringen, welche unsere Unabhängigkeit, unsere direkte Demokratie und unsere integrale Neutralität respektieren.