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Gute Absichten sind nicht dasselbe wie gute Resultate

Am 22. Oktober 2023 finden die eidgenössischen Wahlen statt. Erstmals greifen neue Vorschriften, die angeblich Transparenz über die Finanzierungsströme bringen sollen. Sie gehen auf eine linke Volksinitiative zurück, die zurückgezogen wurde, bevor sich der eidgenössische Stimmbürger dazu äussern konnte.

Gross sind die Erwartungen der Bevölkerung, den politischen Akteuren in die Bankkonti zu blicken. Davon zeugen die zahlreichen deutlichen Ergebnisse zu linken Transparenz-Initiativen in diversen Kantonen und Städten. Gewisse politische Kreise schüren geradezu das Narrativ, in der Schweizer Politik würde einseitig gemauschelt. In dieses Klischee passt diese Volksinitiative, die vom eidgenössischen Parlament so umgesetzt wurde, dass die Volksinitiative zurückgezogen wurde. Insbesondere die FDP brachte nicht die Kraft auf, sich diesen oberflächlich hehren Zielen entgegenzustellen, so als wären neue Vorschriften eine liberale Haltung. Zuständig für die Kontrolle ist die Eidgenössische Finanzkommission (EFK), also die Revisionsstelle des Bundes. Allein zu diesem Zweck wurde sie mit Ressourcen in der Höhe von 2,1 Mio. ausgestattet.

Bloss heisse Luft

Doch gute Absichten sind nicht das Gleiche wie gute Resultate. Indem Sachleistungen getätigt werden, Zuwendungen gestückelt oder Drittpersonen wie den Ehepartner oder eine juristische Person dazwischengeschaltet werden, lassen sich die Offenlegungspflichten leicht unterlaufen. Aus Deutschland kennen wir das Beispiel der Parteistiftungen, die Parteispenden auf wunderbare Art und Weise neutralisieren können. Grosse Mittelzuflüsse lassen sich auf mehrere Personen aufteilen, um unter dem Schwellenwert zu bleiben. Insofern sind diese neuen Regeln im Gesetz über die politischen Rechte und in der neuen Verordnung über die Transparenz bei der Politikfinanzierung heisse Luft und dürften vor allem den Befürwortern ein gutes Gewissen verschaffen.

Ein Anti-Zürich-Gesetz

Die Rechtsfolgen greifen sowohl bei Kandidaten als auch bei Sachabstimmungen nur auf eidgenössischer Ebene und ausschliesslich bei Überschreiten der Aufwandsgrenze von 50 000 Franken. Weil die Wahl für einen Ständeratssitz kantonal geregelt ist, muss dann nur der effektiv gewählte Ständerat, da nun eidgenössischer Parlamentarier, nach dem Wahltag Rechenschaft über seine Kampagnengelder ablegen. Da nur Parlamentskandidaten der grossen Kantone auf solche Ausgabenhöhen kommen dürften – im Kanton Obwalden kostet beispielsweise ein Flyerversand in alle Haushaltungen 2500 Franken – kann man durchaus von einem Anti-Zürich-Gesetz sprechen.

Zahllose Umgehungsmöglichkeiten

Politische Parteien auf Bundesebene müssen neu seit dem laufenden Kalenderjahr 2023 alle Grossspender ab 15 000 Franken melden. Wer hingegen diese Summe beispielsweise der kantonalen SVP spendet, wird nicht der EFK gemeldet, sofern dies als allgemeine Zuwendung oder für eine kantonale Kampagne dienen soll. Die Meldepflicht wird ausgelöst, sobald die Spende nationalen Politikgeschäften dient. Das Gesetz erfasst also nur die nationalen Parteien und die eidgenössischen Wahl- und Abstimmungsvorgänge zur Offenlegung ihrer Finanzierung, nicht aber ihre einzelnen kantonalen oder kommunalen Sektionen, ja auch nicht ihre kantonalen Jungparteien. Mit dem Vermerk, wonach die Zuwendung nur kantonalen oder kommunalen Wahlen und Sachgeschäften diene, lässt sich also ohne Risiko der Zürcher SVP, ihrer Bezirks- oder Ortssektion oder der Jungen SVP des Kantons Zürich ein höherer Betrag als 15 000 Franken pro Jahr überweisen. Kein Mensch dürfte den Überblick über die Folgen haben. Zahlreiche Detailfragen sind offen. Offen bleibt auch, ob die Buchhaltungen so geführt werden können, dass pauschale Spenden korrekt zugewiesen werden können. Der Kandidat, die Kampagnenführenden und die Parteifunktionäre stehen also immer mit einem Bein im Gefängnis.

Die Agenda der Initianten

Insbesondere den Abstimmungskämpfen kommt in unserer direkten Demokratie eine zentrale Funktion zu. Das macht bei uns bekanntlich nicht der Staat und sollte auch keinesfalls eine staatliche Aufgabe werden. Wer Gefahr läuft, geoutet zu werden, eine bestimmte Sache oder Person zu unterstützen, dürfte mit den grosszügigen Spenden etwas zurückhaltender umgehen. So besteht die Gefahr, dass sich die Beiträge an die Parteien und die Abstimmungskomitees verringern. Verfügen die Abstimmungsorganisatoren über weniger Geld, ertönt unweigerlich der Ruf nach staatlicher Parteienfinanzierung. Wollen die Schweizer mit ihren Steuergeldern tatsächlich die SVP, die Grünen oder die Abstimmungskampagne für oder gegen die Begrenzungsinitiative sponsern? So sind wir wieder bei den privaten Spendern. Und so läuft diese Initiative auf eine staatliche Parteienfinanzierung hinaus. Das ist die Agenda der Initianten. Etwa so wie in Deutschland, wo im Jahre 2019 für alle Parteien zusammen 193,5 Millionen Euro ausbezahlt wurden. Der Blick ins Ausland ist dennoch nicht hilfreich, dort herrscht bekanntlich überall ein völlig anderes politisches System ohne Volksabstimmungen. Im Vergleich mit anderen Staaten dürfte es sich bei uns ohnehin um bescheidene Summen und effizient eingesetzte Gelder handeln. Motiv der regulierungsfreudigen Mehrheit des Parlaments ist nach deren Bekunden die Stärkung des Vertrauens in die Politik. Aber gerade diesbezüglich hinkt der Vergleich mit dem Ausland besonders schwer: In den Ländern des Europarates herrscht angebliche Transparenz mit ähnlichen Vorschriften, gleichzeitig dürfte das Misstrauen gegenüber der Politik erheblich grösser sein als hier bei uns. Das rührt natürlich unter anderem daher, dass auch deren Vorschriften voller Umgehungsmöglichkeiten sind. Wo immer auf der Welt derartige Melderegeln eingeführt wurden, hat das ja nicht zu mehr Offenheit bei den Geldflüssen geführt, sondern zu regelmässigen Transparenzregelskandalen. Hier wie anderswo sind die Umgehungsmöglichkeiten vielfältig: Sachleistungen, Stückelung der Beiträge in zeitlicher Hinsicht oder auf mehrere Personen verteilt oder Drittpersonen, Vereine, Stiftungen usw. dazwischenzuschalten.

Verlässliche Informationen an die Stimmbürger wären wichtiger

In der Schweiz sind derartige Regeln weniger wichtig als anderswo. In der Landesregierung sind konstant vier grosse Parteien vertreten, die sich gegenseitig kontrollieren. Keine Partei ist in der Lage, allein die Macht zu übernehmen, und wechselnde Koalitionen sind uns fremd. Weil sich das Volk nicht kaufen lässt, sind der gesunde Menschenverstand und eine korrekte Information der Stimmbürger weitaus wichtiger. Promotoren dieser Regulierung sind vorab all jene, die sich widersprüchlicherweise für ein ganz strenges Datenschutzrecht ins Zeug gelegt haben. Diese Eingriffe in die Privatsphäre hingegen sollen legitimiert werden. Und wer Durchsichtigkeit bei den Bankkonti der politischen Akteure fordert, müsste konsequenterweise dasselbe bei der Verwendung der Steuergelder verlangen: Bei den Millionen und Milliarden für die Sozialindustrie, in der Kultursubventionierung, dem Fördergelder-Dschungel und vielem mehr. Wenn die Linken von Transparenz reden, meinen sie im besseren Fall Neugierde: Sie möchten Einblick erhalten in die Finanzflüsse von Konkurrenten, von Unternehmen oder Organisationen. Im schlechteren Fall ist es aber die Absicht, gewisse Kreise zu stigmatisieren, um Spender an den Gegner in ein schlechtes Licht zu rücken. Das ist Gift für unser politisches System. So droht schliesslich unsere vergleichsweise günstige, privat finanzierte Staatsform zu einem System der staatlichen Parteienfinanzierung zu werden.

Linke werfen mittlerweile mit mehr Geld um sich

Noch 2011 beklagte eine politische Studie, die Linke hätte in Wahl- und Abstimmungskämpfen stets gegen eine finanzielle Übermacht der Bürgerlichen zu kämpfen. In ihrem Buch «Wer finanziert die Schweizer Politik?» kamen zwei Wirtschaftswissenschaftler zum Schluss, dass sich das Blatt im letzten Jahrzehnt fundamental zugunsten der Linken und Grünen geändert habe. NGOs und Gewerkschaften haben Wirtschafts- und Branchenverbände als wichtigste Finanzierungsquellen von Abstimmungskampagnen abgelöst. Sie schätzten die Höhe der Mittel, die im Wahljahr 2019 in politische Kampagnen flossen, auf 100 Millionen Franken, wovon 69 Millionen von Einzelpersonen und nur 24 von Firmen stammten. Der Rest, also nur 7 bis 10 Millionen, stammten direkt und indirekt vom Staat. Im Jahr 2020 kamen noch rund 63 Millionen Franken zusammen, davon 40 von Einzelpersonen, 19 von Firmen und 9 flossen vom Staat, das meiste davon im Kampf um die Konzernverantwortungsinitiative. Transparenzregeln entsprechen einem opportunistischen Zeitgeist und wecken die Illusion der Stärkung der Demokratie. Ihre Protagonisten trauen den Leuten nicht zu, dass sie als erwachsene Menschen selber beurteilen können, wem sie ihre Stimme geben. Kein Stimmbürger muss genau wissen, wer einen Teil einer Kampagne finanziert, um sich ein Urteil über seine Stimmabgabe zu bilden.

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SVP Nationalrätin (ZH)
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