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SVP-Buchclub: Hertha Pauli, Der Riss der Zeit geht durch mein Herz.

Erinnerungen an eine zweienhalbjährige Flucht.

Gerne nehme ich die Gelegenheit wahr, das Sachbuch, das wir im letzten SVP-Literaturclub besprochen haben, kurz vorzustellen.

Es handelt sich nicht etwa um einen Roman, wie der Titel suggerieren könnte, sondern um einen persönlichen Bericht der Wiener Autorin, Schauspielerin und Journalistin Hertha Pauli. Nach Hitlers Annexion Österreichs im März 1938 war sie als Halbjüdin und Verlegerin von nazikritischer-Literatur hoch gefährdet und musste ihr Land Hals über Kopf verlassen.

Die erste Station war Paris. Im Kaffeehaus «Le Tournon» diskutierten damals von den Nazis Verfolgte die weltpolitische Lage. Solche Treffpunkte, die es früher auch in Wien und anderen europäischen Städten gab (z.B. das Odeon in Zürich), haben heute, wenn sie noch existieren, diesen ursprünglichen Charakter verloren. Am Stammtisch im Le Tournon versammelte der von links bis rechts geachtete Schriftsteller Eugen Roth («Radetzkymarsch») politisch und kulturell interessante und interessierte Persönlichkeiten um sich. Mit viel Empathie beschreibt Hertha Pauli ihn, der dem Schnaps allzu zugeneigt war, sowie weitere Personen in seinem Umfeld.

Weil niemand wusste, ob, bzw. wann auch Frankreich besetzt würde, herrschte in Paris zunehmend eine bedrückende Unsicherheit und Angst. Hertha Pauli schildert die unentschlossene Beschwichtigungstaktik etlicher europäischer Länder, die ein ums andere Mal weitere Überfälle Deutschlands hinnahmen, in der irrigen Annahme, Hitler so stoppen zu können. Erst Churchills mutiger Aufruf zum Widerstand läutete in Europa allmählich eine Kehrtwende ein. Die damalige Situation hat einen tristen Aktualitätsbezug: wie lange hat es doch gedauert, bis Putins Eroberungsfeldzügen endlich Widerstand entgegengesetzt wurde! Beispielhaft schildert die Autorin, wie unterschiedlich man in Frankreich auf die deutsche Besetzung reagierte. Nicht wenige waren bereit, sich damit arrangieren, um wieder in Ruhe ihren Geschäften nachgehen zu können, während andere sich dem Widerstand anschlossen. Diese widersprüchlichen Botschaften gelangten über das Radio an die französische Bevölkerung.

Nach der Besetzung Nordfrankreichs durch Deutschland, versuchten die Flüchtlinge aus Paris in den Süden des Landes zu gelangen. Hier beginnt der spannendste Teil der Reportage, der den Leser über das erste, mit historischen Fakten teilweise etwas überladene Kapitel hinwegtröstet. Die dramatische Flucht gelang Hertha Pauli zusammen mit Walter Mehring, einem damals beliebten Autor, der nach dem Krieg nach Europa zurückkehrte und im Zürcher Friedhof Sihlfeld begraben ist.

Das noch unbesetzte Marseille entpuppte sich aber bald als Falle für die dort hoffnungslosen Gestrandeten. Erst ein Hilferuf an Thomas Mann, der sich bereits in den USA befand, löste eine vom amerikanischen Präsidenten abgesegnete Rettungsaktion aus. Ein eigens dafür geschaffenes Rettungs- Komitee ermöglichte etwa 2000 Verfolgten die Ausreise in die USA. Dies geschah auf gefährlichen Pfaden unter der Leitung des mutigen Valerian Fry, der sich zu diesem Zweck nach Marseille begeben hatte.

Hertha Pauli verliess Frankreich zu Fuss auf versteckten Wegen, gelangte schliesslich dank echten und falschen Papieren und viel Glück über das franquistische Spanien nach Lissabon. Von dort aus brachte sie das Schiff «Nea Hellas» im Herbst 1940 ins sichere New York.

Die Erinnerungen an diese zweieinhalbjährige Flucht schrieb sie erst 30 Jahre später nieder. Trotz ihren vielen lebensbedrohenden Erfahrungen ist ihr Schreibstil nie anklagend oder zynisch, sondern reflektierend und einfühlsam.

Von Helene Urech

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