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Im Sudan droht ein neuer Bürgerkrieg – wer finanziert ihn?

ENTWICKLUNGSHILFE UND KRIEG

Beat Moser wirkte während mehrerer Jahre als Schweizer Diplomat in Afrika. Er hat sich den Fragen des Zürcher Bote gestellt und nimmt zu den Hintergründen der aktuellen Sudan-Krise Stellung.

Beat Moser war 34 Jahre für das EDA tätig, davon 30 Jahre im Ausland. Er war während rund sieben Jahren in Afrika eingesetzt, davon fast drei Jahre im Sudan von 1988 bis 1991 als 1. Mitarbeiter der Schweizer Botschaft. Während der Abwesenheiten des Botschafters waren er Geschäftsträger a.i. und somit offizieller Vertreter der Schweiz. Er ist der Autor mehrerer Bücher. Zuletzt ist sein Buch «Wie Millionen versanden», das sich kritisch mit der Entwicklungshilfe auseinandersetzt, erschienen. Der Zürcher Bote hat mit ihm gesprochen.

ZB: Herr Moser, dies ist nicht die erste Krise im Sudan. Haben Sie in Ihrer Zeit im Sudan ebenfalls heikle Situationen erlebt?

Während des Staatsstreichs am 30. Juni 1989 lebte ich im Sudan. Ganz unerwartet wurde an jenem Freitag unsere Nachtruhe durch ein Donnergrollen jäh unterbrochen. Wir waren erstaunt, dass es ein Gewitter sein sollte nach neun Monaten Dürreperiode. Aber willkommen wäre Regen gewesen. Das Donnern wurde lauter, und dann gab es auch Schüsse. Es war vier Uhr morgens. Wir standen auf und gingen in den Garten. Hadush, unser Gärtner und Wächter, sagte uns, dass Krieg ausgebrochen sei. Was sollte man nun machen? Wir hatten kein Telefon, also keinen Kontakt zur Aussenwelt. Wir konnten weder das EDA in Bern noch die vorgesetzte Botschaft in Kairo informieren. Lust zum Essen hatten wir auch nicht. Das staatliche Radio war in Arabisch. Wir fühlten uns ohnmächtig. Wir waren Gefangene in einem Land, das wir nicht verstanden, und sassen fest. Der Flughafen war gesperrt; wir konnten also nicht ausreisen. Eine andere Fluchtmöglichkeit gab es nicht.

Was geht in Ihnen heutzutage vor?

Alle Erlebnisse von damals kommen wieder hoch. Ich erinnere mich an die Angst und an die Ohnmacht, nichts in der aussichtslosen Lage machen zu können. Ich träume wieder von Panzern und Schüssen. Meiner Frau wurde damals eine Kalaschnikow an die Schläfe gehalten, als wir im Auto zu Schweizer Bürgern fuhren, um herauszufinden, wie es ihnen geht.

Am Fernsehen sehen wir Bilder vom Kriegszustand in Khartum. Und viele fragen sich, wie sich die Machthaber Flugzeuge, Panzer, Gewehre, Munition usw. leisten können bei einem Aussenhandelsdefizit von rund 5 Milliarden Dollar. Was denken Sie dazu?

Nehmen wir es vorweg. Die westlichen Länder kommen dafür auf. Und wie geht das? Botschaften, UN-Organisationen und westliche Hilfswerke tauschen die Hartwährung in Sudanesische Pfund (heute Dinar) um. Die Hartwährung wird via lokale Bank an die Zentralbank des Sudans überwiesen. Hilfswerke, Botschaften und UN-Organisationen bekommen den Gegenwert in Lokalwährung zu einem von der Regierung festgesetzten Umrechnungskurs, der viel geringer ist als der reelle Wert (rund ein Zwanzigstel). Die Regierung hat Zugriff auf die Gelder der Zentralbank. Es war damals allgemein bekannt, dass sie einen Grossteil davon auf eigene, private Konten im Ausland überwies. Das Geld wurde schätzungsweise zur Hälfte für Kriegsmaterial eingesetzt, um sich an der Macht halten zu können, und zu 50 % als persönliches «Sparkapital» angelegt.

Sagen Sie, dass die westlichen Länder die Konflikte finanzieren?

Ja, leider ist das so. Und die westlichen Länder und die UNO sprechen immer mehr Geld für die Entwicklungsländer. Und es gibt noch ein Paradox. Wie kommt die Elite zu mehr Hartwährung? Sie beginnt einen Krieg. Dann gibt es Vertriebene; die Felder können nicht mehr bestellt werden, und es gibt eine Hungersnot. Und was passiert dann? Bilder gehen um die Welt – und es wird gespendet.

Gibt es eine Lösung?

Ganz klar. Keine Spenden mehr. Dann sind die Regierungen verpflichtet, für ihre Völker zu sorgen, Schulen zu bauen, das Gesundheitssystem auszubauen usw. Die meisten Länder in Afrika haben genügend Ressourcen aus dem Erlös von Bodenschätzen. Und es ist an ihnen, Arbeitsplätze für die jungen Menschen zu schaffen (die Bevölkerung in Schwarzafrika wächst um 40 Millionen pro Jahr). Wer die Illusion hat, dass der Westen die Probleme in Afrika löst, wenn 1 Mio. Flüchtlinge aufgenommen werden, soll mal die Zahlen anschauen. Wir müssen die Regierungen und Menschen in Afrika respektieren. Sie sind für ihr Leben verantwortlich. Entwicklungshilfe ist Einmischung in innere Angelegenheiten, also eigentlich Neo-Kolonialismus. So sagt Südafrikas Präsident, Cyril Ramaphosa: «Afrikanische Probleme müssen von Afrikanern gelöst werden.»  

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