Individuelle Prämienverbilligung – woher, wohin – ein Ausblick
Warum SVP und FDP im Kantonsrat das Behördenreferendum gegen die Erhöhung des Kantonsanteils ergriffen haben.

Von links: Die Kantonsräte Lorenz Habicher (SVP), Martin Huber (FDP), Tobias Weidmann (SVP) und Claudio Zihlmann (FDP) mit dem Referendum. Bild: zVg
Ende 80er-/ Anfang 90er-Jahre herrscht eine ganz ähnliche Situation wie heute. Die Krankenkassenprämien steigen immer mehr und es werden politische Gegenmassnahmen beschlossen. Am 4. Dezember 1994 nahm das neue Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) die Hürde der Volksabstimmung. Bei einer Stimmbeteiligung von 43,77% wurde die Vorlage mit 51,8% Ja-Stimmen angenommen. Gleichzeitig wurde die eidgenössische Volksinitiative «Für eine gesunde Krankenversicherung » mit 76.6% Nein-Stimmen klar verworfen. Mit diesem Urnengang wurde der Schlussstrich unter eine lange Reihe erfolgloser Revisionsanläufe der Krankenversicherung gezogen. Die vorherrschende Skepsis gegenüber dem Versprechen, die Prämienerhöhungen ohne Qualitätsschwund bei der medizinischen Versorgung zu stoppen, kam damals auch bei der SVP zum Ausdruck, die für ein Nein eingestanden war.
Zu den SVP-Argumenten – damals wie heute – gehörte auch die Feststellung, es sei nicht möglich, mit den Massnahmen des Gesetzes zu einer Eindämmung der Kostenentwicklung im Gesundheitswesen zu gelangen. Heute, 30 Jahre später, kann die SVP den Gewerkschaften, dem Konsumentinnenforum, dem Krankenkassen-Konkordat und allen Parteien von SP, Grünen bis hin zur Mitte (damals noch als CVP) und den Liberalen den Spiegel vorhalten. Das Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) von 1994 kann die Kosten im Gesundheitswesen und somit die Krankenkassenprämien nicht senken. Auch ist zwei Festlegungen im KVG besondere Beachtung zu schenken, der Individuellen Prämienverbilligung (IPV) für Personen in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen und dem Eigenanteil von 8% des steuerbaren Einkommens, welcher nicht überschritten werden sollte. Zudem sollten per Gesetz 30% der Prämienzahler entlastet werden. Um es mit den Worten der damaligen SP-Bundesrätin Ruth Dreifuss zu sagen; «Das Drittel der tiefen Einkommen soll von den steigenden Krankenkassenprämien mit der IPV entlastet werden.»
Als Zwischenbilanz darf hier eingeworfen werden, Linksgrün hat das gewünschte Gesetz bekommen und die SP hat es seither mit ihrer Gesundheitspolitik geprägt und bewirtschaftet. Nicht zu vergessen die zwölfjährige Amtszeit von SP-Bundesrat Alain Berset, dem heutigen Generalsekretär des Europarates, welcher in diesem Dossier rein gar nichts auf die Reihe gebracht hat.
Zurück zum Kanton Zürich! Wie immer, zur Umsetzung eines Bundesgesetzes, hat der Kanton sein Einführungsgesetz zum Krankenversicherungsgesetz (EG KVG) erlassen. Auch dieses wurde stark von SP und Grünen geprägt und es fanden unzählige Kommissionssitzungen mit Berechnungen und Grafiken sowie Statistiken statt, um die entsprechenden Parameter korrekt im Gesetz zu fixieren. Einer und nur einer dieser Parameter ist der Kantonsanteil, welcher im Vierjahresdurchschnitt mindestens 80% des Bundesanteils betragen muss. Gestützt auf die Entwicklungen der KK-Prämien berechnet der Bund jährlich in zwei Schritten, Februar und September, diesen Bundesbeitrag für die gesamte Schweiz. Der Regierungsrat wiederum legt dann den kantonalen Anteil, gemessen an den gesetzlichen Vorgaben, im EG KVG fest.
In der Kantonsratsdebatte vom Montag, 7. April 2025, wurde jetzt genau dieser Kantonsanteil aufgegriffen und eine 20%-Erhöhung verlangt. Das EG KVG des Kantons Zürich kennt viele Parameter und gesetzliche Vorgaben, die bei der Umsetzung eingehalten werden müssen! Wir müssen es also ganzheitlich betrachten und nicht nur auf den Kantonsanteil fokussieren. Diese Erhöhung wird voraussichtlich grosse Auswirkungen auf die Kantonsfinanzen haben. Wir sprechen hier nicht von einem kleinen Betrag, sondern von mindestens 50 Millionen Franken Mehrkosten pro Jahr. Steuergeld und nichts anderes wird in diesen IPV-Topf geworfen, der 2024 bereits mit über 1300 Millionen Franken gefüllt wurde! Die «Bezüger»-Quote, die drei Prämienregionen und die Vorgabe, dass max. 60% der Regionalen Durchschnittsprämie übernommen wird, bleiben im Gesetz unverändert. Die Ratsmehrheit schüttet also mehr Geld (mind. 100% im Vierjahresdurchschnitt, heisst jährlich immer über 100% Kantonsbeitrag!) ins System und verspricht eine Entlastung, die so nicht oder nur marginal erfolgen wird.
Wer also in den Genuss von Prämienverbilligungen kommt, die Eckwerte respektive Voraussetzungen dazu, werden im Gesetz nicht verändert. Was passiert nun, was sind die Variablen im System? Zum einen sinkt der Eigenanteil an der regionalen Durchschnittsprämie, zum anderen steigt die Einkommensobergrenze, die zum Bezug von IPV berechtigt. Diese Änderung bringt den unteren Einkommen keine merkliche Entlastung, wird aber dazu führen, dass hohe Einkommen auch Anspruch auf Prämienverbilligungen haben. Diese von allen Parteien ausser SVP und FDP gewollte Umverteilung von unten nach oben muss gestoppt werden. Zudem wird dieses System auch nur noch bis maximal 2028 bestehen, denn mit der Inkraftsetzung des Gegenvorschlags zur Prämienverbilligungsinitiative, die Volksabstimmung erfolgte im Jahr 2024, wird eine Systemänderung einhergehen … Dieser grosse und teure Wurf wird also nur von kurzer Dauer sein und mehr schaden als nützen!
Darum haben SVP und FDP im Kantonsrat das Behördenreferendum gegen die unsinnige Anpassung des kantonalen Mindestanteils im EG KVG ergriffen. Das Zürcher Stimmvolk wird noch in diesem Jahr das letzte Wort haben.