Mitmachen
Artikel

Klimaseniorinnen-Entscheid ist rechtlich unbeachtlich

Noch selten hat ein Urteil des EMRK-Gerichtshofes zu derartigen Reaktionen geführt wie der Entscheid vom 8. April 2024 über die Beschwerde der Klimaseniorinnen. Im Fokus steht auch der Schweizer Richter des Gerichtes. Im Folgenden wird die Angelegenheit aus fachlich-rechtlicher Sicht beleuchtet.

Hinter den sogenannten Klimaseniorinnen steht in Wahrheit die Lobby-Organisation Greenpeace. Bild: Wikipedia

Am 25. November 2016 gelangte der Verein Klimaseniorinnen Schweiz und eine Anzahl von Einzelpersonen u.a. an den Bundesrat. Sie rügten verschiedene Unterlassungen des Bundes im Bereich des Klimaschutzes und ersuchten um Erlass einer Verfügung über sogenannte Realakte für den Klimaschutz. Ziel seien alle Handlungen, um die Vorgaben des Pariser Klimaübereinkommens vom 12. Dezember 2015 zu erreichen. Der Bundesrat und alle angeschriebenen Behörden traten am 25. April 2017 auf das Gesuch nicht ein. Das ist verschieden von «Abweisen», denn die Sache wurde materiell gar nicht behandelt. Gegen diesen Entscheid gelangten die Klimaseniorinnen ans Bundesverwaltungsgericht in St. Gallen und nach vollumfänglichem Scheitern ans Bundesgericht in Lausanne.

Überzeugender Bundesgerichtsentscheid

Das Bundesgericht wies die Beschwerde der Klimaseniorinnen ebenfalls ab (BGE 146 I 145 ff.). Es behandelte die Sache materiell nicht und erledigte die Sache wie die Vorinstanz durch Nichteintreten. Wie immer in einem Prozess prüfte es vorerst die Prozessvoraussetzungen. Zu diesen gehören u.a. das Vorhandensein der Zuständigkeit, der Kompetenz und vor allem auch, ob überhaupt für die Sache eine Gerichtsbarkeit besteht. Wörtlich führte das Bundesgericht u.a. aus: «Anträge auf eine bestimmte Gestaltung aktueller Politbereiche können nach dem schweizerischen Verfassungsrecht grundsätzlich auf dem Weg der demokratischen Mitwirkungsmöglichkeiten eingebracht werden. Zu diesem Zweck stehen namentlich die politischen Rechte, die auch die Wahl der Eidgenössischen Räte umfassen, nach Massgabe der Art. 34 und 136 BV zur Verfügung. Dazu gehören insbesondere das Recht auf Ergreifung einer Volksinitiative zur Total- oder Teilrevision der Bundesverfassung (Art. 138 f. BV). Ausserdem bietet sich mit dem Petitionsrecht nach Art. 33 BV eine Möglichkeit, nahezu formlos und nachteilsfrei an die Behörden zu gelangen und von ihnen wahrgenommen zu werden. Hinzuweisen ist ferner auf das Initiativ- und Antragsrecht der Mitglieder der Eidgenössischen Räte, der Fraktionen, parlamentarischen Kommissionen und Kantone nach Art. 160 Abs. 1 BV sowie das Antragsrecht der Ratsmitglieder und des Bundesrates zu einem in Beratung stehenden Geschäft (Art. 160 Abs. 2 BV).»

Strassburger Entscheid ist rechtlich unbeachtlich

Die Klimaseniorinnen anerkannten alle diese rechtstaatlich-demokratischen Erwägungen des Schweizerischen Bundesgerichtes nicht und gelangten an den Europäischen Gerichtshof in Strassburg. Dabei beriefen sie sich auf verschiedene Bestimmungen der EMRK. So machten sie u.a. geltend, wenn die Schweiz weiterhin im Klimabereich zu wenig unternehme, seien sie in ihrem Leben tangiert, weil infolge der heissen Sommer die Sterblichkeit von über 75-jährigen Frauen überproportional hoch sei. Das Strassburger Gericht gab ihnen recht und verpflichtete die Schweiz, in Beachtung des Pariser Klimabkommens das Erforderliche vorzukehren. Der Entscheid sei bindend.

Das Urteil unter die Lupe genommen

Bei näherer Analyse ist dies unrichtig. Dies aus mehreren Gründen: – Erstens entschied das Strassburger Menschenrechtsgericht gar nicht über das Anfechtungsobjekt, nämlich das Nichteintreten auf die Beschwerde der Klimaseniorinnen. Das und nichts anderes hat das Schweizerische Bundesgericht nämlich entschieden. Ein Gericht hat lediglich über das Anfechtungsobjekt zu entscheiden. – Zweitens ist die Schweiz dem Europarat und damit dem Strassburger Menschenrechtsgerichtshof im Jahre 1974 beigetreten. Dies erfolgte zum Schutz des «habeas corpus», dem Schutz gegen willkürliche Haft und gegen Verwahrung ohne faire gerichtliche Beurteilung. Heute würde angesichts der Entwicklung die Schweiz nicht mehr beitreten. Ehrlicherweise müsste sie sich auf Grundlagenirrtum berufen. Damit sind die Vereinbarung und die darauf gestützten Akten, insbesondere die Urteile, für die Schweiz unverbindlich. – Drittens hat jeder Gerichtsprozess als Ziel, dass das zu fällende Urteil vollstreckt werden kann. Das in Frage stehende Urteil vom 9. April 2024 ist gar nicht vollstreckbar. Es ist als rechtlicher Entscheid sinn- und zwecklos.

Fazit

Bei genauer Analyse ist der Entscheid des Europäischen Menschengerichtshofs vom 9. April 2024 rechtlich unbeachtlich. Jeder Gerichtsentscheid, der die Kompetenz des Gerichtes überschreitet ist nichtig. Der ehemalige Bundesgerichtspräsident Professor Ulrich Meyer, unverdächtiger Sozialdemokrat, titelte in der NZZ treffend, das Strassburger Gericht habe mit dem fraglichen Urteil eindeutig den Rubikon überschritten. Dies bedeutet nichts anderes als eine Überschreitung der Kompetenz. Gemäss unbestrittener Rechtslehre ist ein solches Urteil ein Nicht-Urteil.

über den Autor
Karl Spühler
SVP (ZH)
weiterlesen
Kontakt
SVP des Kantons Zürich, Lagerstrasse 14, 8600 Dübendorf
Telefon
044 217 77 66
Fax
044 217 77 65
E-Mail
Social Media
Besuchen Sie uns bei:
Wir verwenden Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten und Zugriffe auf unsere Webseite analysieren zu können. Ausserdem geben wir Informationen zur Nutzung unserer Webseite an unsere Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter. Details ansehen
Ich bin einverstanden