Krankenkassen – es braucht mehr Wettbewerb und weniger staatliche Lenkung
Die Prämien wachsen ungebremst. Daran ist hauptsächlich das Gesundheitssystem schuld. Es bestehen weder bei Anbietern noch bei Patienten Anreize, wirtschaftlich zu handeln. Die integrierte Versorgung würde das ändern.
Nicht nur die Patienten sind krank, sondern auch das Gesundheitssystem. (Bild: Pixnio.com)
Alle Jahre wieder, ist man geneigt zu sagen. Steigende Krankenkassenprämien gehören zur Spitze der gesellschaftlichen Probleme. Da hört man wiederkehrend von besonderen Bemühungen zur Gesetzeskorrektur, oder es werden einfach mehr Prämienbeiträge des Staates gefordert. Aktuell versucht man im Parlament, die seit über 10 Jahren diskutierte einheitliche Finanzierung ambulanter und stationärer Leistungen (EFAS) zu verabschieden. Damit könnte man Interessenskonflikte bei der Leistungserbringung vermeiden. Eine überfällige Massnahme. Mit dem Einbezug der Langzeitpflege droht die Vorlage wegen Überladung Schiffbruch zu erleiden. Weitere Korrekturen am Gesetz sind weitgehend wirkungslose «Pflästerli»-Politik. Dazu gehört die aktuell angekündigte Reduktion der Medikamentenpreise sowie die Erhöhung des Selbstbehalts. Unsere Gesundheitsdirektorin, Regierungsrätin Rickli, brachte die Aufhebung des Obligatoriums in die Diskussion ein. Eine wirksame Massnahme zur Vermeidung gleichgültigen Leistungsbezugs. Allerdings dürfte eine solche Massnahme als Reduktion der Versorgungssicherheit empfunden werden und in einer Volksabstimmung kaum mehrheitsfähig sein.
Wo liegt das Hauptproblem des ungebremsten Kostenwachstum?
Selbstverständlich sind die zunehmenden medizinischen Möglichkeiten, eine älter werdende Bevölkerung und vor allem auch die Einwanderung für die Entwicklung der Gesundheitskosten verantwortlich. Die grösste Schwäche allerdings ist systembedingt. Der Anbieter bestimmt die Menge und der Kunde, d.h. der Patient, will ohne Einschränkung versorgt werden. Dies ohne jegliche wirtschaftliche Verantwortung. Es wird mehr oder weniger automatisch alles bezahlt. Die Kostenkontrolle der Krankenkassen funktioniert, konzentriert sich aber nur auf Ausreisser, die mit aufwendiger Beweislast zur Rechenschaft gezogen werden. Das Resultat: Gesundheitsökonomen sprechen von gegen 20 Prozent unnötige Leistungen zulasten der obligatorischen Krankenversicherung. Das Krankenversicherungsgesetz (KVG) schreibt seit seiner in Kraftsetzung Mitte der 90er-Jahre vor, die erbrachten Leistungen zulasten der obligatorischen Krankenversicherung müssen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein. Alles klar, nur kontrolliert das niemand konsequent, und das oben beschriebene System begünstigt das Gegenteil. Um dem Gesetzestext zu entsprechen, ist es unumgänglich: Die Grundversicherung muss gestrafft werden.
Obligatorium stärken durch integrierte Versorgung
Das System des integrierten Versorgungsnetzes ist eine Möglichkeit dazu ohne Einschränkung medizinischer Leistungen. Es ist ein Zusammenschluss von medizinischen Fachpersonen, die dem Versicherten eine über die gesamte Behandlungskette koordinierte Behandlung anbieten. Die Leistungserbringer sind von den Krankenkassen unabhängig und in der Ausgestaltung ihres Netzes frei. Die Versorgungsnetze sind Betriebe, die mit den Krankenkassen Verträge aushandeln. Der Grundversicherte verpflichtet sich, Leistungen ausschliesslich über das gewählte Versorgungsnetz zu beziehen. Darüber hinausgehender Leistungsbezug ist nur mit Zusatzversicherungen möglich. Die Eigenständigkeit der zur Verschreibung von Leistungen zulasten der Grundversicherung berechtigten Medizinalpersonen wird durch die Einbindung in ein Netzwerk eingeschränkt. Der uneingeschränkte Zugang der Grundversicherten zu allen Anbietern von medizinischen Leistungen entfällt. Das Obligatorium wird auf solche Netzwerke beschränkt. Die Krankenkassen erhalten damit ein marktwirtschaftliches Modell und können im Interesse ihrer Versicherten mit einer Mindestanzahl Netzwerke Verträge abschliessen. Dadurch wird auch der Wettbewerb im überobligatorischen Bereich gestärkt.
Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg!
Selbstverständlich ist mit einem solchen Modell die zunehmende medizinische (Über-)Versorgung der Gesellschaft nicht einfach beseitigt. Es braucht den Willen, sich auf das Notwendige zu konzentrieren und die Leistungserbringer in die wirtschaftliche Pflicht zu nehmen. Mit der seit zehn Jahren in Kraft stehenden neuen Spitalfinanzierung wurde ein erster Schritt in die richtige Richtung getan. Die zunehmende ambulante Behandlung anstelle von stationärem Aufenthalt im Spital ist dabei eine weitere positive Entwicklung. Ärgerlich ist, dass die veraltete Tarif- und Finanzierungsordnung den veränderten Leistungsabläufen nicht gerecht wird und den Spitälern unnötig Defizite beschert. Ersten Korrekturen am System müssten weitere folgen. Ob der Druck stetig steigender Gesundheitskosten und die zunehmende Prämienlast etwas bewirkt? Die Gefahr besteht, dass man das entstandene zarte Pflänzlein von Leistungswettbewerb in der Gesundheitsversorgung durch staatliche Eingriffe bremst und auf weitergehende Massnahmen verzichtet.