Mit dem Velo zum Arzt
Die Stadt Zürich würde so gerne in der Liga der ganz Grossen mitspielen, scheitert aber schon im Kleinen.
Das Ziel aller Rennen der Rad-WM befindet sich mitten in der Stadt Zürich. Bild: Wikimedia Commons
Die Stadt Zürich würde so gerne in der Liga der ganz Grossen mitspielen, scheitert aber schon im Kleinen. Wenn dann auch noch die Internationalität zur Schau gestellt wird, schleichen sich schnell Fehler ein. So verkündeten während der Street Parade die Plakate auf der Quaibrücke auf Englisch, dass schwimmen verboten sei. Das Verb «to swim» wurde darauf falsch «to swimm» geschrieben. Vermutlich waren da teure Übersetzer am Werk.
Rad-WM
Nun steht die Rad-WM vor der Tür. Der Zürcher Stadtrat befindet sich in heller Begeisterung. Neun Tage lang Weltmeister-Stadt! Da sollen alle Leute ein Teil davon sein dürfen – ob sie wollen oder nicht. Darum beschloss der Stadtrat, die Radrennen mitten im Herzen von Zürich stattfinden zu lassen. Und zwar an jedem der neun Tage. Endlich darf der Sechseläutenplatz das Ziel für klimafreundliche Fahrräder sein statt für CO2-ausstossende Pferde und Reiter, die dann auch noch eine nicht vegane Wurst essen.
Verkehr lahmgelegt
Deshalb müssen ganze Quartiere abgeriegelt werden. Aber interessanterweise nicht nur für die bösen Autos, sondern auch für den öffentlichen Verkehr. Im Seefeld, am Limmatquai und über die Quaibrücke zum Beispiel werden neun Tage lang keine Trams oder Busse fahren. Die städtische Empfehlung in der Broschüre zur WM klingt zusammengefasst so: Benützen Sie bitte den ÖV, der allerdings nicht fährt. «Das Limmatquai ist während der ganzen Rad- WM durchgehend gesperrt. Die Linie 15 ist eingestellt. Die Strecke Hegibachplatz–Tiefenbrunnen kann nicht bedient werden.» Diese und zahlreiche weitere Meldungen stehen in dieser freundlichen Broschüre. Die Quartiere, die weder mit dem Auto noch per ÖV erreichbar sein werden, sind voll mit Gewerbebetrieben, Läden des täglichen Bedarfs und Arztpraxen. Sollen die Senioren mit ihren Krücken doch mit dem Fahrrad zum Arzt fahren. Mit einem Lastenrad könnten sie anschliessend auch noch den Wocheneinkauf erledigen. Ein bisschen Flexibilität darf schon erwartet werden, es geht schliesslich um das Prestige des Stadtrates.
Zwangsferien?
In der Realität ist es aber so, dass Arztpraxen und Gewerbebetriebe zu Zwangsferien verdonnert werden. Aus diesem Grund gelangten im Vorfeld verschiedene Verbände wie der Gewerbeverband mit einem Kompromiss an den Stadtrat, der von diesem auch unterschrieben wurde. Es ging darin um eine Verkürzung der Strassensperrungen, ohne die Radrennen zu tangieren. Aber das dumme Volk passt der Regierung nicht in den Kram. Obwohl vom Stadtrat unterzeichnet, wird die Vereinbarung kurzerhand nicht umgesetzt. Neun Tage Chaos sind vorprogrammiert. Die Rad-WM hat aber auch ihr Gutes: Wenn Sie morgens den Wecker nicht hören, müssen Sie sich nicht beeilen. Sie werden immer noch genug früh an der Haltestelle sein, um das Tram zu erwischen, das eine Woche zuvor hätte fahren sollen.