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Neutralität in stürmischen Zeiten – Die Geschichte ist noch lange nicht zu Ende

GEOPOLITIK UND NEUTRALITÄT

Nach dem Kalten Krieg glaubte der Westen an den Sieg der liberalen Weltordnung und träumte vom Ende der Geschichte. Dieses ist nicht eingetroffen. Stattdessen wurden wir Zeuge einer neuen Blockbildung, die sich im Zuge des Ukraine-Krieges noch verschärft. Das Potenzial für weitere militärische Eskalationen ist gross. Umso mehr ist es angezeigt, zur bewährten Schweizer Neutralität zurückzukehren.

Mein Geburtsjahr ist ein besonderes Jahr, die Sowjetunion hat sich definitiv aufgelöst, nachdem bereits zwei Jahre früher die Berliner Mauer gefallen war. 1992 wurde ich ein Jahr alt, und der Politikwissenschaftler Francis Fukuyama veröffentlichte sein weltberühmtes und einflussreiches Buch: «Das Ende der Geschichte». Kurz zusammengefasst, die globale Landkarte sei gezeichnet und mit Ausnahme von kleineren Anpassungen werde es keine grösseren Verschiebungen mehr geben und damit natürlich auch keine territorialen Kriege mehr. Totalitäre Systeme seien für immer Vergangenheit. Vielmehr sei der Weg frei für liberale Demokratien mit Rechtsstaatsprinzip und freier Marktwirtschaft.

Instabilität statt Ende der Geschichte

Wenn wir nun heute, nach 30 Jahren, die Welt betrachten, so bleibt nicht mehr viel von Fukuyamas Ende der Geschichte. Neue Staaten wurden gegründet, weltweit flammen territorial-, kulturell- oder ressourcenbedingte Konflikte auf, längst nicht alle Staaten sind marktwirtschaftlich, rechtsstaatlich oder demokratisch. Heute spricht kein seriöser Mensch mehr vom Ende der Geschichte. Der Ukraine-Krieg hat schliesslich noch den letzten Träumern brutal die Augen geöffnet. Die Welt ist nicht so, wie sie sich ein paar wohlstandsverwöhnte Mitteleuropäer herbei fantasieren. Man darf das bedauern, aber davor die Augen zu verschliessen ist brandgefährlich. Geopolitisch besteht momentan viel Grund zur Besorgnis. Der Ukraine-Krieg steckt militärisch in einer Patt-Situation und hat das Potenzial, zu einem Dauerzustand zu werden, der jederzeit einen Flächenbrand über Europa auslösen kann. Sei es durch Involvierung der NATO, sei es durch russische Atomwaffen. Eine Kurzschlussreaktion genügt. Überall wird gepredigt, dass die Ukraine den Krieg gewinnen muss, kaum jemand hat aber eine Ahnung, wie denn ein solcher Sieg konkret aussehen könnte. Realistische Szenarien scheinen kaum von Interesse, solange man Waffen liefert und zu den Guten gehört.

Rückkehr der Machtblöcke

Über alldem schwebt der Konflikt zwischen den USA und China um die weltweite Vormachtstellung. Der Wirtschaftskrieg wird mit immer härteren Bandagen geführt. China hat seine geostrategischen Einflusssphären längst über dem Planeten ausgebreitet, die USA hat nach wie vor den Anspruch, weltweit den Takt vorzugeben, wie auch die neusten Leaks von Geheimdienstdaten aufzeigen. Auf die neusten Militärmanöver haben die Amerikaner umgehend mit Kriegsschiffen reagiert. Der chinesische Präsident Xi hat Putin in einer pompösen Zeremonie die Freundschaftsmedaille überreicht. Die Welt ist drauf und dran sich wieder in Blöcke zu spalten. Oder präziser formuliert: Die Spaltung war gar nie weg, nur wird sie jetzt wieder für alle sichtbar. Immer wieder höre ich, dass die Ukraine den Krieg auch deshalb gewinnen müsse, um der Welt zu zeigen, dass eine autokratische Grossmacht nicht einfach einen souveränen Staat überfallen kann. Gemeint ist vor allem die Angst, dass China sich ein Beispiel nehmen und Taiwan angreifen könnte. Wer so argumentiert, hat die aktuelle Situation nicht verstanden. Einen möglichen Angriff macht Peking weniger vom Verlauf des Ukraine-Krieges, als vielmehr von möglichen wirtschaftlichen Konsequenzen abhängig. Faktisch ist klar, wenn China ernst machen und Taiwan endgültig annektieren will, dann tut es das. Um dies militärisch zu verhindern, müsste die USA den dritten Weltkrieg in Kauf nehmen. Würde man so weit gehen? Ich weiss es nicht.

Die Neutralität ist wichtiger denn je

Eins weiss ich aber mit Sicherheit: Inmitten der wachsenden Spannungen und Konflikte zwischen den Grossmächten ist es wichtiger denn je, dass die Schweiz ihre historische Rolle als neutrales Land wahrnimmt. Die Neutralität ist nicht nur von grosser Bedeutung für die Sicherheit unserer Bevölkerung, sondern auch für die Welt insgesamt. In einer Zeit von Konflikten und Kriegen braucht die Welt eine neutrale Insel, auf der sich die Konfliktparteien irgendwann die Hand reichen können. Die Schweiz hat eine lange Tradition als Vermittlerin und darf diese Position nicht aufgeben, sondern muss sie im Gegenteil wahren und stärken. Neutralität ist unbequem, vor allem in Zeiten des Krieges, aber es ist unsere historische Aufgabe als Schweizer, diese Position zu halten. Die Schweiz steht für Frieden, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Doch als kleines Land ist es naiv, zu glauben, wir könnten im geostrategischen Spiel der Grossmächte mitmischen. Wenn sich die anderen die Köpfe einschlagen, kann die Schweiz sie nicht davon abhalten. Wir müssen aber unsere eigene Bevölkerung mit allen Mitteln schützen und als gutes Beispiel vorangehen, neutral bleiben und unsere guten Dienste anbieten. Das ist eine edle Aufgabe. Wenn wir es gut machen und glaubwürdig sind, können wir damit weit mehr erreichen als all diejenigen mit ihrem Gerede über angebliche Solidarität. Wenn die Welt in Trümmern liegt, ist es ein schwacher Trost, zu sagen, der andere habe angefangen und man habe doch der richtigen Seite Waffen geliefert. Nicht nur die Schweizer Bevölkerung, auch die Welt braucht eine neutrale Schweiz.   

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