Schlacht der Lobbies um den Eigenmietwert
Hausbesitzer zwischen dem Hammer des Eigenmietwertes und dem Amboss sinkender Erträge: Dem Hammer droht nun das Aus, wenn die Profiteure dieser Steuer nicht als Verderber die Vorlage zersäbeln.
Geht der Hammer der Besteuerung des fiktiven Mietwertes künftig nicht mehr auf die Eigenheime nieder? Bild: Bernhard im Oberdorf
Eigentlich ist der Eigenmietwert ein exklusiver Skandal der Schweizer Steuergesetzgebung: Bei diesem Unikat geht es darum, dass Besitzende von Eigenheimen einen fiktiven, von Schätzern festgelegten Wert als Eigenmiete versteuern müssen.
Abgezogen werden können Unterhalt und Schuldzinsen: Das Skandalöse ist, dass dieser Wert keinen wirklichen Erträgen entspricht, aber über die Steuern zu effektiven Ausgaben führt. Besonders stossend ist, dass damit auch die Stufe der Steuerprogression erhöht wird: Auch andere Einkommenskategorien wie der Lohn werden dadurch höher besteuert.
Das kann dazu führen, dass beispielsweise Menschen, die nicht mehr berufstätig sind, vielleicht auch vorzeitig pensioniert wurden, plötzlich Steuerrechnungen bezahlen müssten, für welche die Rente nicht mehr reicht: Es droht dann der Zwangsverkauf und der Verlust eines Lebensinhaltes.
Drohung sinkender Renten
Dies kann geschehen, wenn Renten gekürzt werden infolge vorzeitiger Pensionierungen, mit denen viele Firmen – nicht zuletzt dank Eingebungen teurer Berater – ihren Ertrag steigern. Auch davon abgesehen stehen die Renten unter Druck, seit man in der beruflichen Vorsorge der «Zweiten Säule» vom Umlageverfahren, das oft noch ein Einkommen von zwei Dritteln des bisherigen Lohnes garantierte, auf das Kapitaldeckungsverfahren umgestiegen ist; die Pension muss angespart werden und man steht unter der Drohung von den immer wieder anvisierten Senkungen des «Umwandlungssatzes».
Aber auch die «Dritte Säule», die private Vorsorge, steht unter Druck, seit im Zuge der Finanzkrise – ausgelöst durch Spekulanten in der Finanzbranche – diese Renten auf die garantierte Höhe absackten, die teilweise nur noch der Hälfte oder einem Drittel der ursprünglich in Aussicht gestellten Zahlungen entspricht.
Bedenklicher Widerstand der Profiteure
Angesichts dieser Schere mit den Einkommensverlusten ist die Abschaffung des skandalösen Eigenmietwertes überfällig; bedenklich ist der interessengesteuerte Widerstand dagegen. Ein Trauerspiel lieferte der Ständerat als «Lobbyist » der Bergkantone. Diese sind daran interessiert, mindestens auf Ferienwohnungen noch einen Eigenmietwert als Steuer einfordern zu können, und versuchten durchzusetzen, dass der Eigenmietwert nur auf Erstwohnungen, nicht aber auf Zweitwohnungen erlassen wird. Die Folge des Zwistes war eine unüberbrückbare Differenz zum Nationalrat und die Reform musste in die Einigungskonferenz geschickt werden. Diese entschied sich überraschend schnell für die volle Beseitigung und vermied damit, dass nach siebenjähriger Beratung die Abschaffung auf der Zielgeraden scheiterte.
Aber Widerstand gibt es auch von anderer Seite: Die Baubranche fürchtet, dass ihr, wenn der Unterhalt als Abzugsmöglichkeit wegfällt, einige Aufträge entfallen könnten. Das ist eine unglaubliche Art der Wahrung von Eigeninteresse: Die Aussicht auf allenfalls etwas weniger Umsatz ist für diese Branche offenbar wichtiger als die Beseitigung einer massiven Ungerechtigkeit. In diese Kategorie gehören auch jene Kantonsregierungen, die gegen die Abschaffung dieses Konstruktes weibeln. Beim sich ebenfalls sperrenden Mieterverband muss man sich fragen, ob eine linke Ideologie wichtiger ist als Gerechtigkeit. Damit ruiniert der Verband seine Glaubwürdigkeit.
Dringliche Abschaffung einer Ungerechtigkeit
Nach dem Entscheid für die vollumfängliche Abschaffung in der Einigungskonferenz muss die Vorlage ohnehin noch in eine Volksabstimmung. Vor dem Volk ist bereits vor einem Jahrzehnt die Volksinitiative zur Abschaffung des Eigenmietwertes gescheitert. Damals dürften auch die Banken die Nein-Kampagne unterstützt haben, denn diesen lag es daran, dass es keine Einbussen bei der Vergabe von Hypotheken gibt. Steht der Eigennutz vor der Abschaffung einer Ungerechtigkeit, so ist damit zu rechnen, dass Profiteure und Ideologen sich für die Beibehaltung des einzigartigen Skandals stark machen.