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Wenn man über eine Schwelle stolpert

Für Sozialhilfebezüger lohnt sich die Arbeit oft nicht. Trotz mehr Lohn steht am Schluss weniger Einkommen zur Verfügung. Durch Anpassungen im Steuersystem kann dieser Schwelleneffekt verringert werden. Arbeit muss sich wieder lohnen.

Grundbedarf (Bild: SKOS)

In der Sozialhilfe gibt es den sogenannten Schwelleneffekt. Um den Begriff zu erklären, zitiere ich hier die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (SKOS). «Von einem Schwelleneffekt spricht man, wenn mehr Lohn zu einer Reduktion des frei verfügbaren Einkommens führt. Das frei verfügbare Einkommen ist das Einkommen, das nach dem Abzug der Fixkosten und der Steuern einem Haushalt zur Verfügung steht.»

Steuerpolitik unterstützt Armutsbekämpfung

Mit anderen Worten, je niedriger der Schwelleneffekt ist, desto einfacher ist es, Menschen von der Sozialhilfe abzulösen. Innerhalb der Sozialhilfe gibt es die Möglichkeit der kleinen Sozialhilfe. Bei der kleinen Sozialhilfe besteht die Möglichkeit, Teile der Krankenkassenkosten nach Abzug der individuellen Prämienverbilligung zu übernehmen und so den Schwelleneffekt abzumildern. Per Gesetz ist es untersagt, geschuldete Steuern zu übernehmen (§17 SHG). Das ist auch richtig so und sollte nicht geändert werden. Aber die richtige Steuerpolitik kann einen wesentlichen Beitrag zur Armutsbekämpfung leisten. Im Kantonsrat wurde ein erster Schritt in die richtige Richtung gemacht, indem die Steuerprogression leistungsfreundlicher ausgestaltet werden soll und somit der Schwelleneffekt verringert wird.

Von den USA lernen?

Die USA kennen eine Form der Lohnsubvention, die sogenannte EITC (engl. Earned Income Tax Credit). Wie funktioniert die EITC? Die NZZ erklärt sie folgendermassen: «Eine alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern, um ein typisches Beispiel zu nennen, erhält bis zu einem Jahreseinkommen von 13 430 $ vom Staat 40 Cent pro Dollar als Steuerkredit. Das sind maximal 5372 $. Der Kredit wird mit ihrer (sehr geringen) Steuerschuld verrechnet, der Rest ausbezahlt. Dieser maximale Betrag bleibt in einem Plateau-Bereich von 13 430 $ bis 17 530 $ konstant. Für jeden Dollar, den die Frau über 17 530 $ hinaus verdient, nimmt der Steuerkredit anschliessend um 21 Cent ab. Somit sinkt er bei 43 038 $ auf null. Die Idee dahinter ist einfach: Wenn der Staat armen Haushalten einfach Geld überweist, sinkt die Arbeitsmotivation. Deshalb wird beim EITC der Transfer an die Erwerbstätigkeit geknüpft und nimmt bis zum Plateau-Bereich stark zu. Gedacht ist das Instrument vor allem für arme Familien mit Kindern, meistens Alleinerziehende, während der Steuerkredit für kinderlose Erwerbstätige sehr niedrig ist.»

Vor- und Nachteile

Das Positive an diesem System: Man überweist nicht einfach Geld. Die Unterstützung ist mit einer Erwerbstätigkeit verbunden. Dies hat zu einer Verringerung der Armut geführt. Die Nachteile des Systems sind, dass es zum einen zu komplex ausgestaltet ist und dadurch wahrscheinlich sehr hohe Systemkosten entstehen. Zum anderen beinhaltet es eine Heiratsstrafe.

Wie könnte eine Zürcher EITC aussehen?

Aus meiner Sicht sollte zentral sein, dass der «Büezer» oder Working Poor steuertechnisch nicht schlechter gestellt ist als der Sozialhilfebezüger. Eine Variante, die in der Vergangenheit diskutiert worden ist, wäre, dass auch Sozialhilfebezüger Steuern zahlen sollen. Bei den aktuellen Mehrheitsverhältnissen im Kantonsrat sehe ich diesbezüglich keine echte Chance und selbst wenn, könnte der Regierungsrat bis zu einer bestimmten Grösse den Grundbedarf erhöhen. Mit anderen Worten: Es würde wenig bis nichts bringen, Steuern mit Steuergeldern zu bezahlen. Am Ende landen die Rechnungen bei den Gemeinden.

Kopplung an den Grundbedarf

Mein Vorschlag würde in eine andere Richtung gehen. In den SKOS-Richtlinien ist unter anderem der Grundbedarf enthalten. Der Grundbedarf setzt sich aus einem Warenkorb zusammen, der die Grundbedürfnisse plus soziale Teilhabe ermöglicht. Dieser Grundbedarf ist wohlgemerkt steuerfrei. Warum also nicht einen pauschalen Steuerabzug für «Büezer» in der Höhe mehrerer Grundbedarfe bis zu einer gewissen Einkommenshöhe? Ein erwünschter Nebeneffekt wäre, dass Rentner mit tiefen Renten ebenfalls steuerlich entlastet würden und – so die Hoffnung – weniger auf Ergänzungsleistungen angewiesen wären. Die Koppelung der Abzüge an den Grundbedarf würde den weiteren Vorteil bringen, dass die Abzüge bei den Steuern ebenfalls steigen würden und so der niedrigere Schwelleneffekt beibehalten bliebe. Indirekt gäbe es dann auch eine psychologische Rückkopplung. Jeder Regierungsrat und die SKOS müssen sich dann bewusst sein, dass es bei einer entsprechenden Erhöhung auch zu weniger Steuern kommt. Die maximalen Abzugsmöglichkeiten sollten bis zu einem Einkommen plus minus 50 000 Franken möglich sein. Danach sollten sie stufenweise zurückgehen.

Arbeit muss sich lohnen

Die Schwierigkeit liegt darin, festzumachen, wer genau als Working Poor gilt. Setzt man die Einkommensschwelle zu hoch an, werden Leute zu Working Poors erklärt, welche es nicht wirklich sind, und umgekehrt gilt das Gleiche. Unabhängig davon, wo die Grenze zu setzen ist. Das Ziel muss sein: Arbeit soll sich lohnen. Das Steuersystem sollte sich diesem Grundsatz annähern und – so wie in den USA geschehen – die Leute aus der Armut in die Selbstständigkeit führen.

Schwelleneffekt: Trotz mehr Lohn steht weniger Einkommen zur Verfügung. (Bild: SKOS)

über den Autor
Stefan Basler
SVP (ZH)
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