Die Insel der Glückseligen
Einen direkten Zusammenhang zwischen den aussterbenden Dörfern im Piemont und der Überbevölkerung in Zürich zu ziehen, wäre etwas weit hergeholt.

Anstelle anderer Länder ihrer Probleme sollten wir lieber den Moment geniessen. Bild: Pexels
Ich hatte über Pfingsten das Vergnügen, einige erholsame Tage im Piemont zu verbringen. Das Wetter war prächtig und das Essen hervorragend. Was mir in dieser schönen Region jedoch besonders ins Auge gestochen ist, ist die Entvölkerung ganzer Gegenden. Das Dorf, in dem sich unser Hotel befand, schien komplett ausgestorben, das mittelalterliche Castello mitten im Ort verlottert, die Kirche verriegelt, die einzige Beiz geschlossen. Beim Spaziergang durchs Dorf ist uns keine Menschenseele begegnet. Eine fast schon gespenstische Atmosphäre. Meine Beobachtungen mögen nur anekdotischer Natur sein, das Phänomen der Landflucht ist aber nicht nur in Italien, sondern auch in anderen europäischen Ländern bekannt. Das Problem geht so weit, dass in manchen Gemeinden Häuser für einen symbolischen Euro verramscht und Zuzüger mit Unterstützungsbeiträgen angelockt werden.
Zurück in Zürich könnte der Gegensatz nicht grösser sein. Hier herrscht das, was allgemein als «Dichtestress» bezeichnet wird: Verstopfte Strassen, volle Trams, überfüllte Badis. Ein babylonisches Sprachengewirr in Restaurants und Bars und Kellner, die einen fragend anschauen, wenn man in Schweizerdeutsch bestellt. Wer eine Wohnung sucht, muss bei der Besichtigung zusammen mit hundert anderen Interessenten anstehen und an Wohneigentum ist für Normalsterbliche selbst in kleinen Landgemeinden nicht mehr zu denken. Selbstverständlich bringen diese Verhältnisse noch andere Probleme mit sich: Kriminalität und Drogen im öffentlichen Raum, ein sinkendes Sicherheitsgefühl, zunehmendes Littering oder kurz: Die Lebensqualität leidet.
Einen direkten Zusammenhang zwischen den aussterbenden Dörfern im Piemont und der Überbevölkerung in Zürich zu ziehen, wäre etwas weit hergeholt. Indirekt führt das eine aber sehr wohl zum anderen: In weiten Teilen der EU herrschen Arbeits- und Perspektivlosigkeit, tiefe Löhne und soziale Konflikte, Überbürokratisierung und Misswirtschaft. Aus diesem Sumpf ragt die Schweiz wie eine Insel der Glückseligen heraus: Hier locken attraktive Jobs, gute Löhne und hohe Lebensqualität. Noch. Denn dieses Ungleichgewicht führt seit der Einführung der Personenfreizügigkeit vor über 20 Jahren zu einer beispiellosen Sogwirkung. Längst übertreffen die Nachteile der Zuwanderung deren Vorteile. Der Wohlstand pro Kopf stagniert, die Massenzuwanderung ist zum Selbstzweck geworden – oder anders gesagt: Jeder Zuwanderer bringt die eigene Krankenschwester und den Lehrer für die Kinder gleich selber mit. Das Rezept gegen diese Fehlentwicklung ist klar: Die «Keine 10-Millionen-Schweiz!»-Initiative zur Begrenzung der Zuwanderung muss angenommen und der EUKolonialvertrag versenkt werden. Schliesslich wollen wir aus Italien, Frankreich und Spanien lieber den guten Wein importieren – und nicht deren Probleme.