Revision der beruflichen Vorsorge
Es ist eine komplexe Sozialversicherungs-Revision, die es Gegnern leicht macht, die Vorlage mit aus dem Zusammenhang gerissenen Argumenten zu bekämpfen. Obwohl sie vor allem für Frauen, Teilzeitarbeitende und Tieflohn-Angestellte Verbesserungen bringt, ist es nicht leicht, die Vorteile transparent darzustellen.
Ein sozialpolitisch akzeptabler Kompromiss. Bild: Adobe Stock
Die Argumente der Gegner dieser Vorlage, aus Kreisen der Gewerkschaften und Linksparteien, sind in Teilen absurd, um nicht zu sagen inkompetent. Es sind zwei wesentliche Elemente, welche die Revision prägen. Der erste Grund ist eine gesellschaftlich angenehme Entwicklung mit zunehmender Lebenserwartung und längerer Rentenzeit. Das von Arbeitnehmer und Arbeitgeber während der Erwerbszeit gemeinsam einbezahlte Kapital auf das persönliche Vorsorgekonto, muss für einen stetig längeren Zeitraum ausbezahlt werden. Als zweites ist auch ein Arbeitsmarkt, der immer mehr mit Teilzeitarbeit konfrontiert ist, eine auf Langfristigkeit ausgerichtete Herausforderung für die Vorsorge. Das heisst aktuell, für Betroffene nebst den Tieflohnbranchen keine oder eine nur bescheidene Pensionskasse.
Der grösste Teil der Versicherten ist nicht betroffen
Die aktuell Versicherten sind zu 80 oder mehr Prozent von der Revision, nicht oder nur in geringem Mass betroffen. Einbezogen sind selbstverständlich alle, die in der obligatorischen beruflichen Vorsorge (BVG) versichert sind, allerdings ohne spürbare Auswirkung. Sie haben eine Pensionskasse, die sich nicht am gesetzlichen Minimum orientiert, sondern sich im sogenannten «Überobligatorium» bewegt. Das heisst, Anpassungen für längere Rentenzeit und verursacht durch tiefere Zinserträge, wurden durch das Aufsichtsorgan, die paritätisch zusammengesetzten Betriebsvertreter, laufend vorgenommen, ohne aber die Mindestanforderung des Gesetzes zu tangieren. Die Umwandlungssätze bewegen sich dadurch teilweise weit unter dem gesetzlichen Minimum.
Soziale Massnahmen
Der gesetzliche Umwandlungssatz von 6,8 Prozent bestimmt die Höhe der Jahresrente des angesparten Vorsorgekapitals. Dieser Satz wird mit der Revision auf 6,0 Prozent gesenkt. Das würde in der Tat für die gut 15 Prozent der mit dem gesetzlichen Minimum Versicherten eine Einbusse der Rente von 11,76 Prozent bedeuten. Auch bei Versicherten mit bescheidenem Überobligatorium sind Einbussen ohne Korrekturen unvermeidlich. Um diesen Nachteil zu kompensieren, werden während der ersten 15 Jahre den Mindest-Versicherten mittels abgestufter Pauschalen Zuschläge ausgerichtet, welche die Rente mit dem alten Umwandlungssatz garantieren. Kosten jährlich wiederkehrend: 800 Millionen Franken. Diese Massnahme widerspricht dem Grundgedanken der 2. Säule, ist aber als sozialpolitischer Kompromiss zu akzeptieren. Um die Einbusse bei den Geringverdienern zu kompensieren, wird der versicherte Teil des Einkommens erhöht und werden bei Teilzeit-Angestellten flexible Bedingungen geschaffen. Das heisst neue oder höhere Lohnabzüge und Arbeitgeber- Beiträge in verschiedenen Branchen. Ohne an dieser Stelle auf die Details einzugehen, vor allem für Frauen mit den besonderen Beschäftigungen, ist die Revision ein Gewinn.
Argumente für und gegen eine stabilisierende Revision
Die Gegner dieser Vorlage müssten eigentlich ehrlicherweise als Alternative möglichst schnell eine generelle Rentenalter- Erhöhung propagieren. Wenn man wie die politische Linke höhere Lohnabzüge für eine länger zu finanzierende Rentenzeit bekämpft, wie es die Vorlage vorsieht, gibt es kaum eine andere Lösung für die Pensionskassen. Die zunehmende finanzielle Belastung, von der bei dieser Vorlage niemand genau weiss, wie viele Milliarden jährlich wiederkehrend dafür aufgewendet werden müssen, kann nicht beliebig ausgedehnt werden. Es gibt bereits bei dieser Vorlage Berufsverbände wie Gastro Schweiz und die Landwirtschaft, welche aus finanziellen Gründen der Vorlage eher ablehnend gegenüberstehen. Man muss sich keine Illusionen machen, die Revision stabilisiert das System. Die nach wie vor steigende Lebenserwartung aber wird die Vorsorgeeinrichtungen oder aber die Lebens-Arbeitszeit in wenigen Jahren mit neuem Zugzwang versehen.
Wenn ich die Vorlage auch nicht in allen Teilen als gelungen bezeichne, ist sie trotzdem ein sozialpolitisch akzeptabler Kompromiss. Das Leistungsniveau wird erhalten und die Versicherung für Teilzeit- und Mehrfachbeschäftigte wird verbessert. Die Vorlage verdient am 22. September ein JA.