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Kanton besteuert Gemeinden für die Kinder- und Jugendhilfe im DDR-Prinzip

Nach wie vor finde ich es unglaublich, was der Kantonsrat – am letzten Montag definitiv – verabschiedet hat. 
Es geht um den Gemeindeanteil von rund 100 Millionen Franken für die Kinder- und Jugendheime.
Kinder- und Jugenheimgesetz, KJG, Zweite Lesung: Künftig wird der Kanton einfach pro Kopf der Bevölkerung rund 100 Franken bei den Gemeinden einziehen: Völlig egal, ob eine Gemeinde Fälle hat oder nicht. Bisher zahlten die Wohnsitzgemeinden für ihren Nachwuchs, wenn die Eltern eine Heimplatzierung nicht vermochten, was – zugegeben – für einige teuer kam. Neu zahlen alle. Insgesamt die Gemeinden (anfänglich) etwas weniger, weil neu ein Prozentsatz im Gesetz festgehalten ist: Kantonsanteil 40 Prozent, Gemeinden 60 Prozent. Bisher trugen die Gemeinden die Unterhaltspauschalen (ca. 73 Prozent), der Kanton den Rest, in der Sache begründet.
Keine Ahnung
Die Kommission für Bildung und Kultur hat nie während der ganzen Beratung eine Liste gesehen, welche Gemeinden mit der neuen Regelung eher profitieren und welche mehr bezahlen werden. Doch man kann ja rechnen: In meiner eigenen Gemeinde Hüntwangen zum Beispiel macht das neue Gesetz auf einen Schlag rund CHF 100 000 Mehrausgaben aus – rund vier Steuerprozente – ohne dass wir die bezahlte Leistung benötigen. Wir sind damit kaum die Einzigen: Alle diejenigen, die heute keine oder relativ zur Durchschnittsgemeinde weniger Heimplatzierungen beschlossen haben, werden sich die Augen reiben.
Entlastet werden Gemeinden, wo Heimplatzierungen weniger selten sind. Da sie oft viel mehr Einwohner habe, nicht um vier, sondern um ein halbes Steuerprozent oder so. Die Kantonsverwaltung wird den Gemeindeanteil jährlich, flächendeckend, strikt nach Einwohnerzahl einziehen. Es fällt mir sonst keine Sache ein, für welche der Kanton die Gemeinden auch dann besteuert, wenn diese die Leistung nicht beziehen (im Gegensatz zu Gebühren, die immer an einen Service geknüpft sind). Wir haben damit also ein finanzpolitisches Novum geschaffen: Eine Art zweckgebundene Staatssteuern für Gemeinden. Niemand aus der Finanzkommission bremste.
Anreiz zu Mehrausgaben
Vor 2013 (als es die KESB noch nicht gab) konnten die Gemeinden echten Einfluss auf die Unterbringung von Kindern und Jugendlichen nehmen. Auch seither konnte man hinterfragen, Alternativen vorschlagen, Massnahmen nur auf Zeit bewilligen. Mit der neuen Heimsteuer pro Kopf zahlt man künftig sowieso, ob man fremdplatziert oder nicht. Jedes Hinterfragen bewirkt höchstens, dass zusätzliche Kosten ganz bei der Gemeinde hängenbleiben: Familienbegleitung, Erziehungsberatung, Jugendarbeit. Es lohnt sich für Gemeinderäte bei einer Fremdplatzierung nicht mehr, auch nur eine Sitzungssekunde in die Frage zu investieren: «Braucht es diese wirklich?». Denn wenn die Antwort «Nein» lautet, wird es teurer. Und die Kostengutsprache entscheidet künftig sowieso auf Antrag der KESB – der Kanton. Obwohl – wie geschrieben – die Gemeinden zusammen den höheren Kostenanteil tragen.
DDR-System
Der bürgerliche Kantonsrat hat einen solchen Systemumbau nur zugelassen, weil sich viele liberale Finanz-, Steuer- und Wirtschaftspolitiker – obwohl es eine 100-Millionen-Frage ist – nicht mit der Bildungs- und Sozialpolitik beschäftigen. In den FDP, CVP, GLP, BDP und EDU-Fraktion setzten sich simpel die Falschen durch. Und insgesamt die Linken. Denn kein Heim wird sich in Zukunft jemals mehr um Kinder und Jugendliche bemühen müssen, und neue Heime, Konkurrenz, können sich kaum noch gründen. So werden die Alten auf sicher Geld verdienen. Denn jeder angebotene Heimplatz ist vom Amt für Jugend- und Berufsberatung geplant (Gesamtplan) und jedes Heim hat eine Leistungsvereinbarung mit dem Kanton (Teilpläne). Genau das DDR-System der zentralen Planwirtschaft. Warum störte dies im Rat keinen Steuer- und Wirtschaftspolitiker der übrigen bürgerlichen Parteien? Man kann diese Prinzipien in jedem Schulbuch für Wirtschaftskunde nachlesen. Die Folgen auch: Neben dem fehlenden Anreiz zur effizienteren Arbeitsweise und Innovation lassen sich über die Zeit Fehlplanungen kaum vermeiden und kommt Armut ins Getriebe, wird Planwirtschaft korruptionsanfällig. Kinderheime in Rumänien lassen grüssen.
Ohne Affinität zur Marktwirtschaft
Sie merken, liebe Leserinnen und Leser, – ich bin verärgert. Ich finde, wir müssen den Wählerinnen und Wählern die Augen öffnen. Es stimmt mit dem Kinder- und Jugendheimgesetz definitiv überhaupt nicht, dass diese Parteien den Marktmechanismen, die ja zum Gleichgewicht führen, vertrauen. Als kämen Sie von einem anderen Stern, meinen sie, ein kantonaler Gesamtplan sei klüger.
FDP-Rückkommen gegen Primat der Finanzpolitik
Die FDP hat zudem mit einem Rückkommensantrag die Idee der Regierung, vor und nach der Volksschule das Angebot an Heilpädagogik einzuschränken, wenn die kantonale Finanzlage es erfordere, aus dem Gesetz gestrichen. Sie will kein Primat der finanziellen Lage, sondern verlangt einfach eine Regelung in der Verordnung und weitet so das staatliche Angebot aus. Wohlgemerkt: vor und nach der Volksschule ist Heilpädagogik bisher freiwillig …
Ein anderer Rückkommensantrag (der BDP) verhinderte, dass der Kantonsrat die zum Gesetz gehörende Verordnung noch prüfen kann, wie wir das in der ersten Lesung knapp (1 Stimme) beschlossen hatten. Die dadurch entstehende Verzögerung sei zu gross. Welch ein Blabla. Fakt ist, dass zum Beispiel der Satz «Die Gemeinden werden in die Gesamtplanung einbezogen» im Gesetz a) gegen den Willen der Regierung steht, b) überhaupt nicht klar ist, wie dies geschehen soll. Damit es mehr als nur eine Information wird, hätte hier das Damoklesschwert einer Verordnungsgenehmigung durch den Kantonsrat Druck gemacht.

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