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Kommt der Zeitgeist ausser Mode?

Es scheint, dass unsere Gegenwart eine Krise des Welt- und Menschenbildes erlebt. Mitten im Wohlstand gibt es Orientierungslosigkeit, innere Verarmung und die Meinungsfreiheit kommt durch staatliche Gewalt immer mehr unter Druck. Daneben feiert der Zeitgeist «fröhliche Urständ»! Doch was ist der Zeitgeist eigentlich?

Die Gesellschaft und ihre Organe, die Politiker und die Massenmedien haben heute einen «unwiderstehlichen Neuigkeitsdrang und einen Linksdrall» – dabei wird jede Veränderung ganz ohne Rücksicht auf den eigentlichen Inhalt dem Bestehenden vorgezogen. Bild: Pixabay

«Etwas Bornierteres als den Zeitgeist gibt es nicht. Wer nur die Gegenwart kennt, muss verblöden.» Hans Magnus Enzensberger, deutscher Schriftsteller

Geist der Zeit(en)

Der Begriff «Zeitgeist» stammt aus dem 18. Jahrhundert, vermutlich in Anlehnung an den französischen «esprit du siècle». Daneben sind im 18. und 19. Jahrhundert die Ausdrücke «genius saeculi » und Geist der Zeit(en) gebräuchlich. Der Zeitgeist nistet sich in allen Bereichen der Kultur und der Gesellschaft ein. Er nimmt so Einfluss auf die Lebensgestaltung, Gesellschaftsorganisation und die kulturelle und geistige Produktion. Er bezeichnet ein geistig Gemeinsames, das den verschiedenen, auch heterogenen, Strömungen, Tendenzen, Denk- und Empfindungsweisen, Idealen und Werten eines bestimmten Zeitabschnitts ein charakteristisches Gepräge gibt und diesen damit von anderen Epochen unterscheidet.

Herders Volksgeist

Was der Zeitgeist ist, lässt sich in seiner Ganzheit erst rückschauend beschreiben; dies ist die Aufgabe der Geistesgeschichte und der Zeitgeistforschung, so der Philosoph H.-J. Schoeps. Vom späten 18. bis ins mittlere 19. Jahrhundert stehen die Begriffe «Volksgeist» und «Nationalgeist » in der Tradition der deutschen Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel und Johann Gottfried Herder in nächster Verwandtschaft zum Zeitgeist.

Geistige Orientierungen

Zeitgeist hat die Macht, die Welt zu beleben und jede mögliche Zukunft zu erforschen. Zeitgeist birgt die tiefsten Fragen darüber, wer wir sind und wer wir sein wollen. Zeitgeist spiegelt damit unsere innersten Sehnsüchte wider. Zeitgeist ist also nach der Definition des «Lexikons der Psychologie» eine «in einer bestimmten Zeit vorherrschende Ausprägung geistiger Orientierungen, Lebensstile und gesellschaftlich geteilter Ideen und Werte». Nimmt man die Machtpolitik zum Nennwert, dann spielt sie psychologisch mit dem Zeitgeist.

Wann segnet der Zeitgeist das Zeitliche?

Der berüchtigte italienische Staatsmann Niccolò Machiavelli hatte sehr klare Ansichten: «Ich glaube, dass nur der erfolgreich ist, der seine Handlungsweise mit dem Zeitgeist in Einklang bringt, so wie der erfolglos sein wird, dessen Vorgehen nicht mit den Zeitverhältnissen übereinstimmt.» Aber gleichzeitig muss man nach dem Aphoristiker Jürgen Wilbert immer im Auge haben: «Mit der Zeit wird auch der Zeitgeist das Zeitliche segnen.» Oder ist der Zeitgeist nur ein Phänomen der Massenpsychose? Ist er einfach unheilbar und wechselt nur von Zeit zu Zeit sein Erscheinungsbild? Was vermutet werden kann, muss man aber weiter untersuchen. Der Volkswirtschaftler Eugen Böhler, ehemaliger Ordinarius an der ETH Zürich, beschäftigte sich 1973 bereits mit der «Psychologie des Zeitgeistes». Der stetig wachsende Herrschaftsanspruch des Zeitgeistes – heute etwa die woken «Spielereien» mit unzähligen Geschlechtern – war ihm schon damals ein Dorn im Auge. Der Zeitgeist beherrsche den Menschen unbewusst und zwangsläufig. Die Wissenschaft und die Information würden durch Projektion ihrer Vorstellungen zu seinen Dienerinnen. Das Individuum werde durch die Gegensätze des Zeitgeistes zerrieben.

Neuigkeitsdrang und Linksdrall

Politisch wird heutzutage die öffentliche Meinung der «Herrschaft der Moral» gleichgesetzt. Jede Veränderung wird dabei dem Bestehenden ganz ohne Rücksicht auf den eigentlichen Inhalt vorgezogen. Daher haben nach Böhler die Gesellschaft und ihre Organe, die Politiker und die Massenmedien einen «unwiderstehlichen Neuigkeitsdrang und einen Linksdrall». Und von diesen würden auch die «konservativen Kräfte» erfasst, wie die Kirchen, die Erziehung, die Wirtschaft und das Eigentum. Damit würden die inneren Ordnungskräfte zerstört.

Zeitgeistige Verbotskultur

Die kürzlich gehaltene Rede des neuen amerikanischen Vizepräsidenten Vance an der Münchner Sicherheitskonferenz hat überraschend in diesen psychischen Mechanismus des Zeitgeistes eingegriffen. Seit Jahren führt das Europa (Europäische Union) der Herren Olaf Scholz und Emanuel Macron, zusammen auch mit dem ehemaligen amerikanischen Präsidenten Joe Biden, eine Politik gegen die Meinungsfreiheit. Sie wollen das Volk erziehen und sagen, was das Volk zu denken hat. Der europäische Digital Services Act zur Zensur des Internets ist das beste Beispiel dieser zeitgeistigen Verbotskultur.

Nicht äussere Feinde, sondern die Unterdrückung der Meinungsfreiheit an allen Bereichen bedrohen Europa, war die These von JD Vance: «Die Bedrohung, die mir in Bezug auf Europa jedoch die grössten Sorgen bereitet, ist nicht Russland, nicht China und kein anderer externer Akteur. Was mir Sorgen bereitet, ist die Bedrohung von innen: der Rückzug Europas von einigen seiner fundamentalsten Werte – Werte, die es mit den Vereinigten Staaten von Amerika teilt. Ich war überrascht, als kürzlich ein ehemaliger EUKommissar im Fernsehen auftrat und sich offenbar darüber freute, dass die rumänische Regierung gerade eine ganze Wahl annulliert hatte.» Er warnte, falls die Dinge nicht nach Plan laufen, genau das Gleiche auch in Deutschland passieren könnte. «Solche leichtfertigen Äusserungen sind für amerikanische Ohren schockierend», fasste Vance zusammen.

Wenn Vance auf Europa blicke, sei ihm manchmal nicht so klar, was aus einigen der Gewinner des Kalten Krieges geworden ist. Er schaue nach Brüssel, «wo EU-Kommissare den Bürgern drohen, soziale Medien in Zeiten von Unruhen abzuschalten, sobald sie etwas entdecken, das sie als hasserfüllte Inhalte einstufen». Oder wo die Polizei Razzien gegen Bürger durchführe, wie in Deutschland, nur weil diese etwas gegen die Mächtigen sagten, das diesen nicht passte. Vance machte deutlich, dass es keine Sicherheit geben könne, wenn man Angst vor den Stimmen, den Meinungen und dem Gewissen der eigenen Bevölkerung habe.

Demokratie glauben und leben

Einen Tag nach dem erneuten Terroranschlag von München bezeichnete Vance die Massenmigration für die drängendste Aufgabe der Zeit. Es sei auch bedeutend, diese Aufgaben an den Wahlurnen einer Lösung zuzuführen. An die Demokratie zu glauben, bedeute, zu verstehen, dass jeder unserer Bürgerinnen und Bürger eine Weisheit besitze und eine Stimme habe. Vance weiter: «Wenn wir aufhören, ihnen zuzuhören – selbst wenn wir in manchen Bereichen erfolgreich sind – werden wir nur wenig sichern können.» Betretene Gesichter von Europas Mächtigen waren während der Vance- Rede zu beobachten. Haben sie irgendwo bemerkt, dass ihr totalitärer Zeitgeist ein Ablaufdatum hat? Im Moment tun die meisten noch so, als ob sie die Einsicht in das Bestehen und in die Schicksalhaftigkeit des Zeitgeistes verhindern müssten. Dabei hatte Vance nur das First Amendement der amerikanischen Verfassung verteidigt. Dieses schützt unter allen Umständen die Meinungsfreiheit.

Vor der Zeitenwende

In diesen schon fast revolutionären Zeiten sollte uns Albert Schweitzers Fazit bewusst werden: «Mit dem Geist der Zeit befinde ich mich in vollständigem Widerspruch, weil er von Missachtung des Denkens erfüllt ist.» Wir stehen an einer modernen Zeitenwende. Der bisherige Zeitgeist ist morsch geworden. Ein neuer Zeitgeist hat jetzt das Sagen. Für wie lange?

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