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Die erste grosse Schlacht um den EU-Monstervertrag: Das Ständemehr

Die Diskussion ums Ständemehr ist die Kardinalsfrage im umstrittenen EU-Dossier: Soll der Unterwerfungsvertrag, der auf Drängen der EU den bilateralen Weg zwischen Brüssel und Bern beendet und die Schweiz institutionell an das Konstrukt EU bindet, einer obligatorischen Volksabstimmung vorgelegt werden oder müssen die Kritiker erst Unterschriften sammeln?

Der Bundesrat und das politische Establishment wollen keine obligatorische Volksabstimmung. Bild: zVg

Als der Bundesstaat Schweiz im Jahre 1848 errichtet wurde, galt das Ständemehr als Eckpfeiler des Föderalismus: Jede Änderung der Bundesverfassung benötigt an der Urne nicht nur das Mehr der Bevölkerung, sondern auch der Kantone, und zwar automatisch. Die Hürden wurden so bewusst höher gesetzt als bei Gesetzen.

Einer langjährigen Praxis zufolge muss das obligatorische Referendum auch bei Staatsverträgen von bedeutender Tragweite zur Anwendung kommen. Man nennt dies «Referendum sui generis». Festgeschrieben ist das indes nirgends. Beim Urnengang über den Beitritt zum EWR 1992 hatte sich die Politik zu Recht für das obligatorische Referendum entschieden, die Bevölkerung lehnte mit 50.3 Prozent knapp, die Kantone mit 18 zu 8 deutlich ab. Bei den Abstimmungen über die Bilateralen 2000 und 2005 hatte sich das Establishment gegen das doppelte Mehr entschieden; so waren für die Verträgen von Schengen und Dublin nur ein Volksmehr erforderlich. Mit dem Verfahren der langjährigen Praxis bei Staatsverträgen wären wir also von den offenen Grenzen verschont geblieben.

Fundamentale Auswirkungen auf unsere Institutionen und unser Leben

Das doppelte Mehr ist zunächst zwingend, weil der Monstervertrag und seine Regeln zahlreiche Bestimmungen unserer Verfassung aushebeln. Insbesondere verpflichtet sich die Schweiz mit diesen Verträgen, das bisherige und vor allem heute noch unbekanntes, neues EU-Recht sofort, laufend und automatisch zu einem Teil der Schweizer Rechtsordnung zu machen. Es braucht in den allermeisten Fällen kein Schweizer Gesetz mehr zur innerstaatlichen Umsetzung. Daher entfällt auch die Möglichkeit, sich in Vernehmlassungen zu äussern und das Referendum dagegen zu ergreifen. Beschliesst die EU-Kommission beispielsweise eine neue Richtlinie zur Konzernverantwortung und erklärt diese für Binnenmarktrelevant, tritt diese auch bei uns ohne Zutun unserer Behörden automatisch in Kraft. Damit werden Parlament und Volk in ihren Gesetzgebungskompetenzen ausgeschaltet. Würde nachträglich ein Referendum beschlossen, wären die Stimmbürger durch die drohenden Ausgleichsmassnahmen massiv in ihrer verfassungsmässig verbrieften Abstimmungsfreiheit beschränkt.

Denn zur Kontrolle der unmittelbaren Integration in die Schweizer Gesetzessammlung sind Schiedsgerichte vorgesehen, die zur Durchsetzung der EU-Regeln hierzulande das EU-Gericht konsultieren müssen. Auf diese Weise verändern diese Verträge unsere demokratischen Prozesse: Wir geben die Kompetenz zur Gesetzgebung in bestimmten Themen an Brüssel ab, so insbesondere in sensiblen Bereichen wie Zuwanderung, Strom, Lebensmittel oder Gesundheit in Krisenzeiten.

Mit der Übernahme der Unionsbürgerrichtlinie und dem Daueraufenthaltsrecht wird das Einwanderungsrecht in die Schweiz massiv ausgeweitet. Das widerspricht dem Massenzuwanderungsartikel 121a der BV. Der Pakt mit Brüssel bedeutet auch eine Verletzung dieser Verfassungsnorm. Die Schweiz verlöre in noch weitergehendem Masse als heute Einfluss auf die Migration aus den Mitgliedsstaaten. Ebenfalls eine materielle Verfassungsänderung, weshalb das doppelte Mehr zwingend sein muss.

Das Ständemehr ist aber auch Pflicht, weil die Abkommen tief in die verfassungsrechtlich verankerte Souveränität der Kantone eingreifen. Wohnbauförderung, Verantwortung über die Elektrizitätswerke und vieles mehr: alles wird dann mit einem Schlag nicht mehr von den Kantonen und Gemeinden, sondern von der EU bestimmt.

…aus taktischen Überlegungen …aufs doppelte Mehr verzichtet

Schon im April hat der Bundesrat dem Parlament empfohlen, das Volk soll zu den Rahmenverträgen nur dann mitbestimmen dürfen, wenn jemand 50’000 Unterschriften sammelt. Ansonsten tritt der Unterwerfungsvertrag, dessen Vorteile für die Schweiz man vergeblich sucht, mit all seinen fatalen Wirkungen automatisch in Kraft. «Der Bundesrat geht kaum auf die staatspolitischen Aspekte der EU-Verträge ein, auch weil er eine Abstimmung mit Ständemehr verhindern möchte», schrieb beispielsweise die «NZZ» treffend.

Aussenminister Ignazio Cassis gab denn auch unumwunden zu, der Bundesrat habe vor allem aus taktischen Gründen entschieden. Man denkt, was die EU betrifft, längst nicht mehr in sachlichen Kategorien; es geht nur noch darum, uns möglichst hürdenlos an die Brüsseler Bürokratie zu ketten.

Dem Ständemehr wird heute vorgeworfen, es nütze eher den kleineren Landkantonen in der Inner- und Ostschweiz und benachteilige die «Grossen» Zürich und Bern sowie die urbanen Zentren und die Romandie.

Aber je mehr Zeit verstreicht und je mehr die Schweizer über die miserabelsten Verträge erfahren, die unsere Diplomaten jemals ausgehandelt haben, desto schwerer werden es die Befürworter haben, die Bürger für ihr Himmelfahrtskommando zu erwärmen.

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